Nachhaltigkeit im Ammerland: W.I.M. – Weniger ist machbar

Weniger ist mehr – diesen Spruch kennen wir nur zu gut. Aber kennen Sie auch „Weniger ist machbar“? Die W.I-M.-Initiative aus dem Ammerland lebt genau diesen Gedanken: Sich regional dafür einzusetzen, globale Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Ihr Motto beschreibt ihre Haltung: Weg von der Konsumgesellschaft hin zu einem bewussten und ressourcenschonenden Verhalten im Alltag.
Wir von „einfach Heimat“ haben mit Geli Wald von W.I.M. gesprochen und nachgefragt, wieso dieses Thema wichtiger denn je ist – und wie jede und jeder von uns ihren oder seinen persönlichen Beitrag leisten kann.
Wann und warum gründete sich die Gruppe?
2018 wurden auf vier Veranstaltungen der Evangelischen Erwachsenenbildung (EEB) im Ammerland die 17 globalen Nachhaltigkeitsziele vorgestellt, die von den UN-Mitgliedsstaaten umgesetzt werden sollen. Daraus bildeten sich zunächst zwei Kerngruppen. „Dies war der Startschuss für die W.I.M-Gruppe, nach und nach haben wir uns gefunden und erweitert“, berichtet Geli Wald mit ein wenig Stolz in der Stimme. Los ging es mit der Aktion „Plastikfrei im Ammerland“, zu der Expertinnen und Experten eingeladen, Fachvorträge besucht und Alternativen getestet wurden. Im März 2019 rief die Arbeitsgruppe in der Zeitung zum Plastikfasten auf – und stellte in einem Flyer kompakte 40 Tipps für bessere Alternativen vor.
„Wenn wir etwas selbst nicht wissen, holen wir uns Fachleute“, erklärt Geli Wald. So ist unter anderem ein Zahnarztehepaar im Team mit dabei, das aus medizinischer Sicht darüber berichtet hat, wie Plastik über die Verpackungen in die Nahrung gelangen kann. Zu anderen Themen wurden beispielsweise Referentinnen und Referenten der Uni Oldenburg eingeladen oder andere Profis ihres Fachs kamen zu Wort; „So erweitern wir unseren eigenen Horizont, eignen uns Wissen an und geben dieses an alle Interessierten weiter.“
W.I.M. Gemeinschaftsfeld
Welche Projekte gibt es bei W.I.M.?
Wer für eine private Feier einen kostenlosen Geschirrverleih sucht, findet ihn bei W.I.M.: „Tischlein deck dich“ heißt das Angebot, bei dem bunt gesammelte Teller, Becher, Gläser, Besteck und vieles mehr zur Verfügung gestellt werden. Warum? „Um Einweggeschirr wie Pappteller und Plastikbecher zu vermeiden“, so Geli Wald.
Im Sommer 2020 kam ein weiteres Projekt hinzu: das Gemeinschaftsfeld in Hahn-Lehmden. Hier baut eine gemischte Truppe Gemüse an und freut sich über die regionale Ernte auf dem „Acker an der Eiche“, den Landwirt Felix Müller den Aktiven zur Verfügung stellt. Dank der Gemeinde gibt es mit dem „Alten Schulgarten Nethen“ noch eine weitere Fläche, die bewirtschaftet wird.
Aktuell plant die Gruppe, regionale Befüllstationen für Trinkwasser ausfindig zu machen und zusammenzutragen. Das könnten zum Beispiel Bauernhöfe, Gaststätten oder Privatpersonen sein. So kann jeder bei einem Ausflug seine Wasserflasche einfach und kostenfrei auffüllen. „Derzeit sind wir mindestens 20 Aktive, die sich in allen möglichen Bereichen und zu vielschichtigen Themen ehrenamtlich engagieren“, so Geli Wald.
Die W.I.M.-Initiative aus dem Ammerland
Was sind die Ziele von W.I.M.?
Das Motto: „Weniger. Ist. Machbar“ in verschiedensten Bereichen des Lebens zu integrieren und Alternativen vorzustellen. „Wir möchten den Leuten klar machen, dass man schon mit kleinen Veränderungen viel erreichen kann. Und dass jeder seinen Beitrag leisten kann, die Welt ein Stück nachhaltiger zu machen.“
Derzeit ist „fast fashion“ ein wichtiges Thema, das auch Geli Wald am Herzen liegt: „Mode und der zügellose Konsum, die Lieferketten – da kann jeder etwas tun.“ So gibt es mit Secondhand-Shops oder Klamottentauschaktionen, wie sie auch W.I.M. anbietet, gute Alternativen, um Kleidung, die nicht mehr passt oder nicht mehr gefällt, sinnvoll weiter zu nutzen.
Sie selbst ist sehr engagiert im Bereich Nachhaltigkeit und lebt ihre Devise auch über die Projektzeiten hinaus: „Ich bin immer W.I.M.-Frau“, zeigt sich Geli Wald überzeugt von dem, was sie tut und wie sie es anpackt. Ein gewisses Brennen für die Sache sei immer vorhanden.
Zu ihrer eigenen Motivation sagt die augenzwinkernd selbsternannte „Granny for future“: „Ich gehöre zur 68er-Generation, habe immer bewusst und nachhaltig gelebt. Und ich fühle mich aufgefordert, dafür etwas zu tun. Ich möchte nicht irgendwann von meinen Enkeln hören ‚Oma, warum hast du denn damals nichts getan?’ Wir alle haben eine Verantwortung – gegenüber der Mitwelt, der Umwelt und der Nachwelt.“ Und diesen Glaubenssatz sollte sich jeder einmal verinnerlichen. „Wir müssen weg von der Wegwerf-Gesellschaft, die Dinge nur einmal nutzt und danach entsorgt.“
Wie läuft die Projektarbeit ab?
Bei W.I.M gibt es keine Hierarchie. Alle Mitglieder, von jung bis alt, sind aus ähnlichen Motiven dabei – und alle ziehen an einem Strang. Wichtig sei es aber, Ansprechpersonen in den einzelnen Gemeinden zu haben, damit jeder an Nachhaltigkeit Interessierte schnell den Einstieg bei W.I.M finden kann.
Natürlich spielt bei W.I.M. auch die Vernetzung mit anderen Engagierten eine wichtige Rolle: So gibt es lokale Kooperationen wie die mit dem Botanischen Garten der Uni Oldenburg, der für den Schulgarten beispielsweise Grünkohlsamen und -pflanzen bereitstellt. Die Kontakte reichen aber auch bis zu bekannteren Persönlichkeiten wie dem Ökonomen Professor Niko Paech, der sich unter anderem mit Umweltökonomie und der Nachhaltigkeitsforschung auseinandersetzt. Ob große Namen oder (noch) unbekannte Menschen, die lokale Veränderungen vorantreiben wollen: Die W.I.M.-Aktiven freuen sich über jede und jeden, die oder der sich mit ihnen zusammentun möchte.
Welchen Einfluss hat Corona gehabt?
Die Corona-Pandemie hat vieles ins Stocken gebracht: Menschen nutzen wieder vermehrt Coffee-to-go oder holen sich in der Mittagspause „Essen zum Mitnehmen“, Corona-Tests verursachen viel Müll, verloren gegangene Einmalmasken sind häufige Wegbegleiter beim Spaziergang – wieder einige Baustellen mehr, obwohl insgesamt schon ein Umdenken erfolgt ist.
Das Homeoffice, das zwar den Sprit spart und das Einweggeschirr in der Pause, sorgt jedoch für einen anderen Treiber: Digitale Telefonkonferenzen und der vermehrte Mailkontakt sorgen für eine hohe Auslastung von Servern auf der ganzen Welt – die Datenautobahnen sind voll und sorgen für noch mehr CO2-Ausstoß.
So mussten auch die Aktiven von „Weniger. Ist. Machbar“ auf digitale Treffen umschwenken und tauschten sich 2020 nur noch per Videokonferenz aus. Nach einigen technischen Schwierigkeiten lief es – doch ein fader Beigeschmack im Vergleich zum realen Treffen blieb. Im Juni 2021 durfte sich die Gruppe erstmals wieder live treffen.
Läuft bei W.I.M. immer alles reibungslos?
So schön die Arbeit von W.I.M und die Idee dahinter auch klingen mögen: Auch hier läuft nicht immer alles rund – oder gar im Einklang mit der Natur. So gab es beispielsweise Hürden auf dem Gemeinschaftsfeld beim Wassermanagement oder den Wildschutzzäunen: „Die Rehe hatten über Nacht das Feld ratzekahl leer gefressen“, kann Geli Wald mittlerweile über den Vorfall lachen. „Die Natur macht halt nicht immer mit. Da muss man neue Wege finden.“
Ob es nicht schwierig sei, gefühlt immer wieder gegen Windmühlen zu kämpfen? „Es ist ein nie aufhörender Kampf“, stimmt Geli Wald zu. „Wir können zwar nicht die Welt retten, aber wir müssen sehen, was jede und jeder vor Ort, lokal tun kann. Irgendwie geht es immer ein Stückchen voran.“ Sie selbst sei auch nur eine von vielen Engagierten – und das ist auch gut so. „Wir stützen uns bei den einzelnen Projekten gegenseitig. Manche können gut anpacken, andere haben zahlreiche Kontakte, wieder andere tolle Ideen. So kann jeder das geben, was er kann und die Gemeinschaft voran bringt.“
Und wie kann man bei W.I.M. einsteigen?
„Einfach zu einem unserer nächsten Treffen kommen und mitmachen“, lädt Geli Wald helfende Hände freundlich ein. Ob planen und organisieren, anpacken im Garten oder auf dem Feld, Ideen für neue Projekte liefern, Saatgut oder regionale Rezepte beisteuern oder auch die Initiative finanziell unterstützen: bei W.I.M sind sie alle willkommen.
Normalerweise treffen sie sich jeden zweiten Donnerstag im Monat ab 19 Uhr im Rudolf-Bultmann-Haus in Wiefelstede oder im Café Mansholter Wege. Im Herbst präsentieren sich die Mitglieder und Projekte übrigens bei der „Genuss im Nordwesten“ am 19. September im Park der Gärten – ein Termin, den sich an lokaler Nachhaltigkeit Interessierte dick im Kalender notieren sollten.
Alle weiteren Informationen sowie Ansprechpersonen und E-Mail-Adressen finden sich auf der Website www.weniger-ist-machbar.de
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Übrige Fotos: ©Kim Vredenberg-Fastje