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Öffentliche Wahl zum „Vogel des Jahres 2023“

Öffentliche Wahl zum „Vogel des Jahres 2023“

Wer übernimmt das „Zepter“ vom amtierenden Wiedehopf?

Eine Frage der Ähre: Tritt das Braunkehlchen (Saxicola rubetra) die Nachfolge des Wiedehopfes an und wird Vogel des Jahres 2023?

Unser eH-Redakteur und Freizeit-Ornithologe hat auch in diesem Jahr eine klare Wahlempfehlung. Sein Bericht ist daher vielleicht etwas parteiisch und mitunter schlägt wohl auch sein Hintergrund als Werbeprofi durch, er legt aber Wert auf die Feststellung, dass es ihm vor allem um eine hohe Wahlbeteiligung geht: also um ein Votum pro Naturschutz im Allgemeinen und pro Vogelschutz im Besonderen. Auch seien ihm, anders als bei politischen Wahlen, naturgemäß alle Kandidaten mit ihren Anliegen sehr sympathisch.

Es gilt wie üblich: Namentlich gezeichnete Artikel geben selbstredend die Auffassungen und Ansichten des Verfassers wieder. Diese müssen keineswegs deckungsgleich mit der Position des OOWV oder von einfach Heimat zum behandelten Thema sein.










Nachfolger gesucht: Wer löst den Wiedehopf (Upupa epops) als Vogel des Jahres ab?

Bis zum 27. Oktober den Vogel des Jahres wählen:  sexy-mini-super-flower-öko-cola – alles steckt in Saxicola

Eben erst, so will es mir scheinen, haben wir den mit natürlicher Krone ausgezeichneten Wiedehopf, der schon in der griechischen Komödie „Die Vögel“ (414 v. Chr.) bei Aristophanes König der „Ornithes“ ist, zum Vogel des Jahres 22 gewählt und schon wird sein würdiger Nachfolger gesucht.

Hinter geschlossenen Türen hat ein Fachgremium des NABU und LBV (https://www.lbv.de/) erneut fünf Kandidaten für die öffentliche Wahl auserkoren. Eine Vorauswahl, an der mensch herummäkeln könnte, wie an jeder anderen einschränkenden Selektion auch. Man muss es aber nicht. Konstruktiver ist eine Würdigung der Kandidaten und natürlich eine hohe Wahlbeteiligung zugunsten des Natur- und Vogelschutzes!

Die 5 Kandidaten und ihre Anliegen

 Das sind in alphabetischer Reihenfolge die Kandidaten mit ihren Slogans für ihr jeweiliges „Wahlprogramm“:

  1. Das Braunkehlchen (Saxicola rubetra): „Wiesen wieder wilder machen!“
  2. Der Feldsperling (Passer montanus). „Wilder Garten für mehr Arten!“

Für ihn ist es schon der zweite Anlauf: Er war schon bei der letzten Wahl mit dabei, musste sich aber mit 16,3 Prozent und dem vierten Platz hinter Bluthänfling, Mehlschwalbe und dem siegreichen Wiedehopf begnügen. Anmerkungen zum Spatzerl und er letztjährigen Wahl (Alle Informationen zur letzten Wahl gibt es hier!): 

  1. Neuntöter (Lanius collurio): „Schnabel auf für mehr Insekten!“
  2. Teichhuhn/ralle (Gallinula chloropus): „Lasst es wuchern an den Ufern!“
  3. Trauerschnäppper (Ficedula Hypoleuca). „Schnappt zu für Klimaschutz!“

Hier geht’s zu den Kandidaten-Porträts des NABU und hier zu den Slogans, hinterlegt jeweils mit einem kurzen Wahlmanifes.


Die Wahl zum „Vogel des Jahres“: Eine erfolgreiche PR-Aktion für den Natur- und Umweltschutz.

1971 haben NABU und LBV den Vogel des Jahres ausgebrütet: ein Public-Relations-Erfolg, der nicht nur auf Briefmarken gewürdigt ist, sondern Jahr für Jahr in den Medien seinen Niederschlag findet. Den 50. Vogel des Jahres ließen die Ausrichter erstmals öffentlich wählen. Zuvor hatten interne Fachgremien das erledigt. Seit 2022 treffen die Fachornithologen eine Vorauswahl, aus der dann die Laien und jedwede Vogelfreundin den neuen Vogel des Jahres wählen können. Kriterien der Vorauswahl sollen die Bestandsentwicklung sein und eine etwaige Habitatsgefährdung, also wie es um den Lebensraum der jeweiligen Art steht und wie relevant dieser ggf. auch für andere Spezies und unser Ökosystem überhaupt ist.



Zwei „Altmeister“ sind dabei

Für alle, die sich nicht mehr sooo genau daran erinnern können: Unter den fünf aktuellen Kandidaten befinden sich zwei frühere Titelträger.

Das Braunkehlchen (Saxicola rubetra) – 1987 gekürt – käme mit einer Wiederwahl zu einem 45er-Jubiläum.

Der Neuntöter wurde bereits 1985 zum Vogel des Jahres deklariert.

Da in beiden Fällen fast zwei Generationen vergangen sind und in beiden Fällen leider ein deutlicher Bestandsrückgang verzeichnet werden muss, möchte ich keinen der Kandidaten ausschließen, nach dem Motto: „Hatten wir schon“.

Braunkehlchen auf typische Sitzwarte. Wer könnte diesem Anblick widerstehen? Kein Schwanz – jedenfalls kein Gartenrotschwanz (s. u.)

Säxicola wählen!

Einige ahnen vielleicht bereits, dass ich allen Vogelfreund*innen die Wahl des Braunkehlchens warm ans Herz legen möchte. Aus ganz ähnlichen Gründen, aus denen ich im letzten Wahlkampf für den Wiedehopf die Werbetrommel gerührt habe:

Von den fünf Kandidaten ist der reizende Wiesenschmätzer (= Gattung = Saxicola) mit großem Abstand – auch gegenüber dem Familienangehörigen Trauerschnäpper – der am stärksten Gefährdete: Rote Liste, Kategorie 2 = „stark gefährdet“.

 

Augen-Make-up vom Feinsten

Browni steht deutlicher als die anderen Kandidaten paradigmatisch für die Lebensraumvernichtung und Bedrohung der Biodiversität durch unsere Agrarindustrie. Das Braunkehlchen ist als Insektenfresser und Wiesen-/Zwergstrauchbrüter auf extensive Wiesen angewiesen: Mit seinem Slogan „Wiesen wieder wilder machen!“ spricht er sämtlichen Wiesenbrütern (Kiebitz!), die alle in unseren ausgeräumten Agrarsteppen unter die Räder kommen, aus der gequälten Vogelseele.

Na, und der weiße Überaugenstreif in allen Kleidern ist natürlich echt säxi.

Gegenkandidaten-„Bashing“: nett, aber halb so wild

Rasch ein Blick auf die vier durchaus sympathischen Gegenkandidaten:

Der Trauerschnäpper gehört zur selben Familie, ist mit seinen Habitatansprüchen als Höhlenbrüter aber variabler. Der Bestand dürfte etwa 5 Mal so stark sein wie der des Braunkehlchens. Im Wahlmanifest des Kandidaten fällt auf, dass er nicht überzeugend deutlich macht, inwiefern er ganz besonders für das essentiell wichtige Thema Klimaschutz steht.

Der Feldsperling ist ein geselliger, kecker Körnerfresser, verlegt mit seinem Slogan „Wilder Garten für mehr Arten“ das Problem des Natur- und Artenschutzes leider wieder einmal in die private Lebenswelt eines jeden Einzelnen. Damit ist er politisch eine lahme Ente!

Zum Neuntöter, dem hübschen Killer mit der Zorromaske, und seinen charakterlichen Defiziten möchte ich mit Rücksicht auf die empfindsameren Leser*innen weiter nichts sagen. Außer vielleicht: Wohl bekomm’s, Mordbube! Sowie vielleicht noch: Der Bestand an Spießern ist weiterhin nicht gefährdet.

Auch die Teichralle ist mit allen Wassern gewaschen und wer auf so großem Fuße lebt, dem kann es eigentlich nicht wirklich schlecht gehen. Wer sie einmal während der Balz- und Brutzeit beobachtet, wird sich wundern, was das für eine kleine Krawallschachtel ist!


Mit dem Wahlkampfteam „Säxicola“ stimmen
Hier der individuelle Wahlkampflink für mein Team zum Sammeln von Stimmen für das Braunkehlchen:
https://www.vogeldesjahres.de/wahl/Braunkehlchen/S%C3%A4xicola%3A+sexy-mini-super-flower-%C3%B6ko-cola+%E2%80%93+alles+steckt+in+Saxicola/



Vogelstimmen zur Wahl

Immer noch nicht überzeugt, welchen Kandidaten Sie wählen sollen? Nun denn: Hier habe ich einige maßgebliche Stimmen aus den Reihen der Gefiederten selbst eingeholt, zunächst einige Vertreter, die schon aufgrund ihrer herausragend markanten Schnabelform gehört werden sollten, wenn sie diesen mal aufreißen:

Sigi Seeadler (Haliaeetus albicilla)


„Wer der Chef ist, ist ja wohl eh klar und wer unter mir Vogel des Jahres wird, is‘ absolut zweitrangig – aber Browni ist schon okay, also meinetwegen.“ - Sigi Seeadler (Haliaeetus albicilla)

Beate Bekassine (Gallinago gallinago)

















„Als Schnepfe und Vogel des Jahres 2013 sage ich: Irgendwie erinnert Browni mich mit seinem variantenreich braungefleckten Kleidchen und dem bezaubernden weißen Überaugenstreif ein wenig an – mich. Allerdings verfüge ich nicht bloß über einen Über- sondern sogar über einen Unteraugen- und Scheitelstreif, und zwar alle in Warmweiß! Also wenn ich nach schlappen 10 Jahren noch nicht wieder zur Wahl stehe, dann soll’s halt Browni werden." - Beate Bekassine (Gallinago gallinago)

 

Florentina Flamingo (Phoenicopterus ruber ruber)


  










„Ich möchte hier zunächst einmal ganz entschieden protestieren! Nämlich gegen die NABU-Ignoranten, die mich und meinesgleichen wegen meines Migrationshintergrundes bzw. Status als Geflüchteter dissen, pfui Deibel! Seit 40 Jahren sind wir jetzt im Münsterland im Zwillbrocker Venn ansässig, und wie viele Nominierungen hat’s seither wohl gegeben? Genau, Pustekuchen! Und dabei sehen wir doch wohl echt verschärft aus. Wir werden die Wahl selbstverständlich boykottieren und fordern: mehr Herz für Geflüchtete! Ich fliege jetzt erstmal ans Ijsselmeer … - Florentina Flamingo (Phoenicopterus ruber ruber)


                 

Ludwig Löffler (Platalea leucorodia)










„Von Kindesbeinen an arbeite ich im Dienste der Forschung – mein amtliches Kennzeichen: NBPC plus Goldring. Ich kann nur sagen, ja mahnen: Wählt Browni und sein Naturschutzprogramm „pro wilde Wiese“ – bevor wir alle ins Gras beißen und den Löffel abgeben müssen!“ - Ludwig Löffler (Platalea leucorodia)















Robin Rotkehl (Erithacus rubecula)


Die Familien-Bande

Wer könnte besser Auskunft über den Kandidaten geben als die eigene Verwandtschaft? Daher hier noch die Stimmen einiger Intimkenner aus der Familie der Fliegenschnäpper.

„Als Amtsinhaber der Jahre 2021 und 1992 möchte ich mich hier nicht aufplustern, stehe aber jederzeit für eine Wiederwahl bereit! Bis dahin soll’s in Dreiteufelsnamen Browni machen, phh!“ - Robin Rotkehl (Erithacus rubecula)

 

Zwaantje Zwergschnäpper (Ficedula parva)













„Mich kennt ja eh keine/r oder verwechselt mich mit dem pummeligen Robin. Ich bleib hübsch im Walde und singe derweil das Hohelied auf meine liebe Verwandte vom Lande.“ Zwaantje Zwergschnäpper (Ficedula parva)


















Schwer verliebt ins Braunkehlchen: das Gartenrotschwanz-Männchen mit Futter für den ungewöhnlichen Nachwuchs aus der Mischehe mit einem Saxicola-Weibchen


So säxi, da kann kein Rotschwänzchen widerstehen! 

Für eine persönliche Stellungname (aus durchsichtigen Gründen) nicht zu erreichen war ein Verwandter, dessen Affäre in der Presse hohe Wellen schlug (Vgl. Der Falke, Heft 10/2016, S. 34f): An der Beringungsstation Lista in Südwestnorwegen war ein Vogel ins Netz gegangen, der die Ornithologen vor ein Bestimmungs-Rätsel der dritten Art stellte. Was war das für ein komischer Vogel, der Merkmale verschiedener Spezies aufwies? Zunächst tippten einige der Experten auf eine Kreuzung zwischen Blau- und Braunkehlchen. Erst eine Genanalyse konnte Licht ins Dunkel bringen: Es handelte sich um einen Hybridvogel, und zwar einen, den Elterntiere verschiedener Gattungen gezeugt und ausgebrütet hatten! Die Mutter war ein Braunkehlchen (Gattung = Saxicola), der gewiss stolze Vater ein Gartenrotschwanz (Gattung = Phoenicurus)! So unwiderstehlich säxi ist also der kesse weiße Überaugenstreif des Braunkehlchens, dass selbst Gattungsgrenzen überwunden werden, was noch zu meiner Zeit im Biologieunterricht für schlichtweg unmöglich erklärt wurde!  Na wenigstens gehören beide Gattungen zur Familie der Fliegenschnäpper.

Hören wir last not least eine weitere Vertreterin aus der Familie der Fliegenschnäpper, die zugleich Mitkandidatin ist:





„Ganz ehrlich? Ich trauere kein bisschen, wenn meine Verwandte Browni das Rennen macht. Wo‘s für Säxi-Hexi reicht, gibt’s auch für mich und die Meinen Hautflügler satt!“ - Traudel Trauerschnäpper (Ficedula hypoleuca)


Bleibt mir nur noch, dem Braunkehlchen und seiner illustren Familie das Allerbeste zu Wünschen – und eine möglichst hohe, werbewirksame Wahlbeteiligung!






Bildnachweise:
Titelbild: Prof. Dr. Lothar Wierschowski.
Artikelbilder: Johannes Kelschebach

Johannes Kelschebach

meist in Oldenburg und viel unterwegs...
Dürfen wir Sie fragen wie eigentlich alles begann?: Ja, dürfen Sie - studiert habe ich Neu,- und Altgermanistik und Philosophie. Danach war ich viele Jahre als Werbetexter und Kreativdirektor für Agenturen tätig.
Und heute?: Seit 2006 arbeite ich als freiberuflicher Kommunikationsberater.
In Ihrer Freizeit erleben Sie auch viel, oder?: Nun, ich bin oft unterwegs. Vor allem in der Natur. Wie sagt man so schön, als Naturgucker und Vogelbeobachter.
Bildnachweis/Portrait: Privat

Johannes Kelschebach

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Dürfen wir Sie fragen wie eigentlich alles begann?: Ja, dürfen Sie - studiert habe ich Neu,- und Altgermanistik und Philosophie. Danach war ich viele Jahre als Werbetexter und Kreativdirektor für Agenturen tätig.
Und heute?: Seit 2006 arbeite ich als freiberuflicher Kommunikationsberater.
In Ihrer Freizeit erleben Sie auch viel, oder?: Nun, ich bin oft unterwegs. Vor allem in der Natur. Wie sagt man so schön, als Naturgucker und Vogelbeobachter.
Bildnachweis/Portrait: Privat
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