Kakao – die dunkle Seite der Schokolade
Bereits seit September weihnachtet es wieder sehr in unseren Supermärkten. Lebkuchen, Dominosteine und Spekulatius füllen die Regale und lassen den Süßmäulchen unter uns das Wasser im selben zusammenlaufen. Für Schokolade beginnt die weihnachtliche Hochsaison vorm Osterfest. Anlass für uns, mal dem nachzugehen, was eine gute Schokolade ausmacht: dem Kakao.
Unsere Autorin Nora Kelschebach hat ein halbes Jahr lang für ihre Bachelorarbeit im Studiengang Nachhaltiges Management mehrere Kakao Fincas in Kolumbien besucht und hat auf verschiedenen Plantagen der „Speise der Götter“ buchstäblich bis auf die Wurzeln nachgeforscht.
Die bittere Wahrheit der süßen Weihnachtsmänner
Oldenburg, Supermarkt:
Die Klimaanlage gibt einen letzten Ächzer von sich, bevor sie für den Rest des Jahres abgeschaltet wird, die Aufrufe zum sparsamen Umgang mit Wasser im Frühsommer und entschieden überdurchschnittliche Spätsommerwärme bis in den Oktober hinein sind fast vergessen. Feierlich marschiert die erste Batterie von Schoko-Nikoläusen und Weihnachtsmännern in die Regale. Bis Weihnachten werden es deutschlandweit etwa 109 Millionen Mann sein! Bald schon wird das geneigte Publikum durch die Klänge von „Last Christmas“ aus den Lautsprechern zart schmelzend berieselt und animiert zuzugreifen. Viele Weihnachts- und Schokoladenfans werden schon bei den ersten Exemplaren schwach. Irgendwann müssen wir ja auf die zweieinhalb Tafeln Schokolade kommen, die in Deutschland durchschnittlich innerhalb einer Woche pro Kopf vernascht werden. Tatsächlich sind wir hierzulande mit gut 9,5 Kilo verputzter Schokolade pro Kopf und Jahr Schoko-Europameister!
Rund 7000 Kilometer südlich, Ghana, Kakaoplantage:
Die Sonne brennt auf die kleinen Kakaobäume, die dicht gedrängt nebeneinander stehen und auf deren Blättern die Pestizide gegen die Pflanzenschädlinge ankämpfen. Ein künstliches Bewässerungssystem versucht, den Bäumen genügend Wasser zukommen zu lassen.
2050 wird das vermutlich gar nicht mehr nötig sein, da die Anbauflächen für Kakao in Ghana und an der Elfenbeinküste durch die starke Bodenbeanspruchung von Monokulturen und die Wasserknappheit durch die zunehmende Erderwärmung nicht mehr nutzbar sein werden. Bis dahin werden jedoch pro Tonne an Kakaobohnen noch knapp 20 Kubikmeter Wasser – also 20.000 Liter – benötigt. Dabei sind sämtliche agronomischen Tätigkeiten, Fermentierungs- und Trocknungsprozess sowie die Selektierung und Verpackung der Bohnen berücksichtigt. Kaum ein anderes Lebensmittel verbraucht so viel Wasser.
Obwohl die Kakaopflanze erst Ende des 19. Jahrhunderts nach Afrika importiert wurde, sind Ghana und die Elfenbeinküste die Haupterzeugerländer für unseren gegenwärtigen Kakaokonsum.
Rund 8000 Kilometer westlich, Kolumbien, Kakaoplantage:
Feuchter Schatten herrscht zwischen den kleinen Kakaobäumen, die vereinzelt im Schutz von Obstbäumen, sogenannten „Mutterbäumen“, stehen. Hier gedeihen im Agroforst neben Bananenpalmen und anderen Obstbäumen noch die alten Kakaosorten, der Edelkakao bzw. Criollo Kakao. Der Ertrag ist hier nicht so hoch wie in reinen Kakao-Monokulturen, verbraucht aber auch deutlich weniger Wasser, da keine künstlichen Bewässerungssysteme benötigt werden. Je höher die Anbaukonzentration einer Plantage, desto höher auch der Wasserverbrauch.
In einer nachhaltigen Agroforstkultur spenden größere Mutterbäume den Kakaobäumchen Schatten. Dadurch verbrauchen solche Systeme kaum Wasser, sie kommen mit der natürlichen Regenzeitbewässerung aus. Die größeren Bäume der Plantage liefern zudem Obst und Holz.
Kolumbianische Kakaobohnen
Was bedeutet das nun für all die Schokoladen- und Weihnachtsfans?
Zum einen müssen wir uns klar machen, dass Kakao nicht umsonst auch als „Speise der Götter“ bezeichnet wird, denn eigentlich ist es ein Luxusgut, das nur am Äquatorgürtel mit hohem Wasserverbrauch angebaut werden kann. Wenig überraschend, aber trotzdem spielentscheidend ist die Anbautechnik und hier gilt natürlich wie so oft: Monokulturen meiden!
Vor allem in den afrikanischen Ländern wird nicht zuletzt unter dem Druck europäischer Schokoladenhersteller wie zum Beispiel Lindt eher auf Quantität statt auf Qualität produziert. Auch Kinderarbeit ist hier leider keine Seltenheit. Kein Wunder, wenn der Begriff „Nachhaltigkeit“ vom größten Schokoladenkonzern, Barry Callebaut, als „Schaffung von Mehrwert für unser Geschäft (…)“*, also als reine Profitsteigerung interpretiert wird.
Der Anbau von Kakao in Agroforstsystemen, wie es zum Beispiel in Kolumbien üblich ist, ist deutlich umweltschonender. Auf Grund der kleinen Produktionsmengen sind Produkte aus solchem Kakao aber in den deutschen Supermärkten auch schwerer zu finden.
Alles in bester Kakaobutter?
Eine Kakaobohne enthält zu mehr als 50 Prozent Kakaobutter. Diese und Kakaopulver sind wichtige Zutaten für beliebte Lebensmittel, aber auch für diverse Kosmetika. Die Azteken brauten aus Kakaobohnen (Vanille und Cayennepfeffer) einen Trank, den sie zur Zeit der Ankunft der Spanier wohl „xocóatl“ nannten: Bitterwasser. Daraus leiten sich die Worte Chocolate bzw. Schokolade ab.
In unserer Schokolade ist jedoch, je nach Rezeptur in unterschiedlicher Zusammensetzung, neben Kakaomasse jede Menge Zucker und Milchpulver. In sogenannten Conchen wird solche Schokoladenmasse erwärmt, vermahlen und vermengt. Süße Milchschokolade mit über 50 Gramm Zucker pro Tafel ist bei deutschen Schokofans deutlich am beliebtesten. Weiße Schokolade enthält übrigens vom Kakao nur die -butter.
Das Öko-Final der Weihnachtsmänner:
Vollmilch versus Zartbitter
Je höher der Gehalt am Luxusgut Kakao ist desto heikler die Ökobilanz? Das scheint nach dem bis hier her Gesagten naheliegend, aber Pustekuchen: Die Süßmäuler unter uns sollten sich nicht überglücklich auf die süßere Vollmilch-Schokolade mit geringerem Kakaogehalt stürzen und dabei glauben, dass die weniger gesunden Schoko-Varianten mit mehr Milch und mehr Zucker die üppigen Kalorien mit einer besseren Öko-Bilanz kompensieren. Denn der Wasserfußabdruck von Milch liegt zwar „nur“ bei 10 Kubikmetern Wasser pro Tonne*, also halb so viel, wie bei Kakao aus Monokulturen, wird aber durch einen vernichtend großen CO2-Fußabdruck ergänzt. Insgesamt geht diese desaströse Ökobilanz praktisch auf keine Kuhhaut…
Die bittere Wahrheit
Im großen Nachhaltigkeits-Wettbewerb der Schokoweihnachtsmänner gewinnen demnach also doch die bitteren bzw. veganen Exemplare. Aber bevor Sie jetzt mit Blick auf Ihre Alpenmilch-Schokolade einen Herzinfarkt kriegen, essen Sie lieber noch ein Stück Zartbitter-Schokolade dazu. Die hat nicht bloß weniger Kalorien, sondern sie scheint antioxidativ sowie Bluthochdruck dämpfend zu wirken und dadurch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfälle zu mindern.
Bildnachweise:
Titelbild: Nora Kelschebach
Grafik Kakaoernte: Quelle: International Cocoa Organization, Bulletin 1/2018
Grafik Sistema Agroecologico: Espinosa Alzate, Ríos Osorio, & Zapata Tamayo, 2011, S. 48
Bild Kakaobohnen: AdobeStock/Michael Marquand