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Aufatmen am Meer - wie die Natur uns gesund hält

Aufatmen am Meer - wie die Natur uns gesund hält

Bildnachweis: Adobe Stock/Prostock-studio

 

Ein Aufenthalt an der Nordsee tut gut. Er fördert unser Wohlbefinden und hilft bei vielen Beschwerden und Erkrankungen. Aber warum eigentlich? Antworten geben zwei Patientinnen, die sich an der rauen See so richtig wohl fühlen, und eine Expertin der Uni Oldenburg.

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Das Meer ist eine faszinierende Kulisse - wir werden einfach nicht müde, immer wieder diese wunderbaren Sonnenuntergänge zu fotografieren. Und wohl kaum jemand, den ein weiter Strand nicht locken könnte. Der Ozean wurde im Laufe der Zeit zu einem Sehnsuchtsort par excellence. Doch zwischen Wellen, Watt und Walgesängen verbirgt sich noch viel mehr: eine riesige Apotheke der Natur, gefüllt mit wohltuenden Mitteln für Körper und Psyche, für Schönheit und Gesundheit. Schon seit der Antike nutzen Menschen den Ozean, um ihr Wohlbefinden zu fördern und um Krankheiten zu bekämpfen. Und heute wissen Fachleute ganz genau, warum das funktioniert.

 

Wie gut das Meer tut, weiß Waltraud Rehms, denn sie kann bei ihren Aufenthalten an der Nordsee endlich wieder durchatmen. Schon seit ihrer Kindheit hat sie schweres Asthma. Anstatt nur auf Medikamente wie Kortison zu setzen, hat sie vor vielen Jahren angefangen, die Natur als Heilquelle zu entdecken. „Und ich bin immer wieder erstaunt, wie gut sie mir hilft. Vollständig heilen kann sie das Asthma zwar nicht, aber so weit lindern, dass ich heute deutlich weniger Medikamente nehmen muss“, freut sich die 69-Jährige. Viel Bewegung an der frischen Luft und so oft es geht Urlaub am Meer mit einem Reizklima - das ist ihr Geheimnis.

 

Auch Andrea Lamb erlebt immer wieder, wie wohltuend Aufenthalte an der See sein können. Sie hat Neurodermitis und bereits als Jugendliche brachten ihr Aufenthalte an der Nordsee Linderung. „Das raue Klima auf den nordfriesischen Inseln, diese ganz besondere Verbindung von Sonne, Salzwasser und guter Luft haben immer einen durchschlagenden Erfolg. Nach jedem Aufenthalt werden Entzündungen und Juckreiz besser, ich brauche dann keine Kortisonsalbe mehr, es reicht eine normale Fettcreme.“ Und dann kann die 52-Jährige auch endlich wieder besser durchschlafen, ohne ständig kratzen zu müssen. Bis zu zwei Monate hält der Effekt an. „An heißen Mittelmeer-Stränden funktioniert das bei mir nicht, dort habe ich durch das starke Schwitzen, sogar eher Juckreiz-Schübe.“

 

Karin Loser ist Professorin für Immunologie an der Universität Oldenburg. Sie kennt die Studienlage zum Thema sehr gut: „Neben Asthma und Neurodermitis kann das Heilklima an der See auf viele Erkrankungen positiv wirken, etwa auf Herzkreislauf-Erkrankungen, denn es senkt hohen Blutdruck und auch das Risiko für Herzinfarkte. Und über Entspannungseffekte bessert das Heilklima auch psychische Probleme. Bei Menschen mit Rheuma wiederum entlastet das Baden im Salzwasser die Gelenke, was die Beschwerden lindert“, berichtet sie. Zwar können Aufenthalte an der Küste die Beschwerden in der Regel nicht vollkommen heilen, aber doch zumindest lindern, so dass viele Patientinnen und Patienten weniger Medikamente nehmen müssen und insgesamt eine höhere Lebensqualität haben.

 

Die Nordseeinseln sind bekannt für ihr allergenarmes Klima und die besondere Luftqualität. Auf hoher See ist die Luft praktisch frei von Milben und Pollen. Zudem kommt die geringe Belastung mit Industrieabgasen. Der ständige Wind trägt dazu bei, dass Pollen und andere Reizstoffe verweht werden. Im Aerosol sind zudem Jod, Salz und Magnesium gelöst - gut für die Bronchien. Andrea Lamb gönnt sich ein- bis zweimal im Jahr einen längeren Aufenthalt auf der Insel.

 

Eine günstige Alternative zur Fahrt an die Küste sind für Waltraud Rehms Gradierwerke: „Wir fahren oft zu den Salinen nach Bad Rothenfelde, hier läuft permanent Sole mit hohem Salzgehalt über meterhohe Holzkonstruktionen. Das Einatmen der angereicherten Luft tut sehr gut. Der Effekt hält immer für ein paar Tage, manchmal auch Wochen an. Es fühlt sich an, als wäre die Lunge gewaschen. Das hilft übrigens auch Patienten mit anderen Atemwegserkrankungen.“

 

Was ist eigentlich so gesund am Reizklima? 

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„Starker Wind, niedrige Temperaturen, viele Niederschläge und gute Luftqualität setzen Anreize für den Organismus. Der Kreislauf wird angeregt, die Durchblutung verbessert und auch die Cortisolproduktion angeregt“, erklärt Expertin Karin Loser. „Das setzt positive Prozesse im Körper in Gang; viele Erkrankungen und Beschwerden können abklingen, die durch ein schlecht reguliertes Immunsystem ausgelöst wurden. Und mit einem gestärkten Immunsystem kann der Körper latente und chronische Entzündungen besser bekämpfen.“

 

Eine kleine Einschränkung gibt es allerdings doch, weiß die Expertin: „Man muss wissen, dass an der Küste oft die UV-Strahlung höher ist, was schnell zu Sonnenband oder einer Sonnenallergie führen kann. Daher sollte man immer an Sonnencreme denken!“ Da außerdem im Zuge des Klimawandels die Gewässer immer wärmer werden, nimmt die Belastung durch Parasiten zu. „Beim Baden im Meer kann man etwa mit Anemonen-Larven in Kontakt kommen, die Juckreiz und Quaddeln auslösen, die sogenannte Bade-Dermatitis. Und in Gegenden mit hoher Luftfeuchtigkeit kann es mehr Schimmelpilzsporen geben. Wer hier empfindlich ist, sollte lieber in die Alpen statt an die See fahren.“ Am besten sollte man sich umfassend informieren, welche Region für die eigenen Beschwerden ideal ist und Rücksprache mit der Hausärztin oder dem Hausarzt halten.

 

Zudem gilt: Um einen nachhaltigen Effekt von Klimakuren zu erzielen, reicht ein kurzes Wochenende ab und zu nicht aus. Karin Loser betont: „Drei bis vier Wochen sollten es schon sein und bei schwerwiegenden Erkrankungen am besten kombiniert mit einer Reha-Maßnahme, bei der man beispielsweise Atemübungen oder eine bessere Ernährung lernt und auch mit seinen Medikamenten optimal eingestellt wird.“ Optimal ist ein ganzheitliches Behandlungskonzept.

 

Auch für die Psyche ist das Meer übrigens äußerst wohltuend. Landschaftspsychologen und Umweltmediziner sind den gesundheitsfördernden Effekten natürlicher Umgebungen auf der Spur und beobachten, wie sie Gesundheit und Wohlbefinden fördern. Landschaftserlebnisse haben zum einen direkte Wirkungen, etwa durch die bessere Luftqualität. Zum anderen regen sie zu gesundheitsfördernden Aktivitäten wie mehr Bewegung an. Strand und Meer bieten hierfür eine perfekte Kulisse: das typische Farbspektrum und die regelmäßigen Wellengeräusche, die an den eigenen Atem erinnern, beruhigen. Blau steht in der Farbpsychologie für Weite und Freiheit, es entspannt und mindert Stress. Die Weite am Strand lädt zu langen Spaziergängen, intensivem Schwimmen in den Wellen oder einfach zum entspannten Nichtstun ein; die frische Brise lässt uns durchatmen. Viele Menschen entspannen sich schon allein beim Gedanken an diese Umgebung - kurz die Augen schließen, dann hört man schon das Meeresrauschen und spürt den Sand unter den Füßen. Tief durchatmen! 

Eva Tenzer

Freie Wissenschaftsjournalistin in Oldenburg
Heimat?: Aus dem Süden zugereist vor 25 Jahren - der Nähe zum Meer und der frischen Brise wegen.
Lieblingsthemen? : Alles rund um Wissen, Forschung, Medizin und Psychologie - und es verständlich erklären.
Und sonst? : So oft wie möglich im Flow sein mit Tango und Malerei.
Motto? : Panta rhei - alles fließt.

Eva Tenzer

Freie Wissenschaftsjournalistin in Oldenburg
Heimat?: Aus dem Süden zugereist vor 25 Jahren - der Nähe zum Meer und der frischen Brise wegen.
Lieblingsthemen? : Alles rund um Wissen, Forschung, Medizin und Psychologie - und es verständlich erklären.
Und sonst? : So oft wie möglich im Flow sein mit Tango und Malerei.
Motto? : Panta rhei - alles fließt.
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