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Der Ems-Jade-Kanal Radweg: Ein Sattelfest durch Marsch, Moor und Geest

Der Ems-Jade-Kanal Radweg: Ein Sattelfest durch Marsch, Moor und Geest

In unserer Reihe „Wasserwege“ geht es diesmal auf dem Fahrrad am Ems-Jade-Kanal entlang: einmal quer durch Ostfriesland.

 

Der Ems-Jade-Kanal Radweg: Ein Sattelfest durch Marsch, Moor und Geest

Wir sind drin. Nein, nicht im Kanal, aber immerhin schon im Zug. Sogar mit Fahrrädern, trotz des großen Wochenendandrangs und mit dem notwendigen Zusatzticket von 5 Euro pro Rad pro Tag in Niedersachsen. An einem Samstag auf der Strecke Oldenburg-Emden. Fahrtdauer: knapp 70 Minuten. 

Wegweisendes Zeichen

 

Eine Kuhrinne? 

Die Tour entlang der „Kuhrinne“ haben wir uns für heute vorgenommen. So soll Otto von Bismarck den Kanal seinerzeit bezeichnet haben und lehnte mit dieser Schmähung die Einladung zur feierlichen Eröffnung im „Dreikaiserjahr“ Jahr 1888 schnöde ab – Ostfriesland schien ihm zu unwirtlich. 

Die Tour ist keine Kleinigkeit, denn es gilt, immerhin 75 km zu bewältigen; wir hoffen auf Rückenwind: Immerhin geht’s auf Kurs Ost-Nord-Ost quer durch Ostfriesland. 

Von Emden nach Wilhelmshaven

Egal, ob es eine örtliche Ausschilderung geben wird, ob wir uns auf eine handgeschriebene, Wegbeschreibung verlassen (nicht sehr professionell, aber bewährt, mit zwei Wäscheklammern vorne am Fahrradkorb befestigt), ob wir ganz altmodisch eine Karte zu Rate ziehen oder darauf bauen, dass wir „Netz haben“ werden, um uns vom Handy leiten zu lassen – man sollte doch meinen, wenn man einfach am Kanal entlangradelt, dürfte es keine Probleme geben. Der Ems-Jade-Kanal, der dann tatsächlich irgendwann gut sichtbar ausgeschildert sein wird, mit einem geschwungenen Logo aus grünem E und blauem J, zusammengesetzt zu einer großen und weiten, also quasi friesischen Wolke, berührt drei Stadt-Stationen: Emden, Aurich, Wilhelmshaven und dazwischen Natur- und Kulturlandschaft. Einmal quer durchs ostfriesische Land, von der Emsmündung bis zum Jadebusen. 

 

Nicht vergessen: Wasser und Essen!

Vorab: Man tut gut daran, sich zuvor mit ausreichendem Proviant, vor allem Wasser, auszustatten, denn die Einkehrmöglichkeiten unterwegs sind mit Ausnahme der erwähnten Städte rar gesät. Und will man denn Stadt, wenn man einen ganzen Tag lang die Weite der friesischen Landschaft haben kann? Die Chancen, noch im Hellen in Wilhelmshaven anzukommen, stehen auch für sportlich nicht Ambitionierte nicht schlecht, wenn etwa sieben Stunden für die Tour eingeplant werden – dann zwischendurch auch mal Pausen drin. 

 

Trinkwasser mobil: Wasser fassen unterwegs

Für jede Radtour ist es interessant, zu checken, ob die Strecke bei „Trinkwasser-mobil-Partnern“ vorbei führt. Das können öffentlich zugängliche Orte oder gastronomische Einrichtungen sein, wo durstige Radler und Wanderer kostenlos ihre Trinkflaschen auffüllen können! Hier geht’s zur Übersicht: https://einfach-heimat.de/partner/flasche-auffuellen/tafelwasser?lat=53.1609534&lng=8.2013714

 

 

Am Ems-Jade-Kanal Radweg direkt gibt es noch keine Trinkwasser-mobil-Partner, aber Abstecher zu ohnehin interessanten Zielen führen zur Erfrischung. Da wäre zunächst ein möglicher Abstecher gen Norden zum „Großen Meer“: 

https://einfach-heimat.de/bistro-am-meer.

Weniger weit vom eigentlich Weg entfernt sind die Zapfstellen in Aurich:

https://einfach-heimat.de/bootsliegeplaetze-am-auricher-hafen

https://einfach-heimat.de/aurich-kunstpavillon-teehaeuschen

 

Vom Start weg rasch zur 1. Sehenswürdigkeit

Der Bahnhof Emden verfügt über auch für Fahrräder genügend große Aufzüge an den Gleisen. Es dauert zwar ein wenig, bis man – einmal rauf und einmal wieder runter – endlich am Ausgang angekommen ist. Aber es ist deutlich angenehmer, als die Räder treppauf, treppab, schleppen zu müssen. Fix durch die Stadt zum Park am Wall geradelt und schon gelangt man zum Highlight am Beginn der Tour. 

Das nördliche Tor der Kesselschleuse: Freizeitkapitäne auf großer Fahrt

 

Die Kesselschleuse von Emden, die so heißt, weil sie kreisrund ist, bietet den vielen Freizeitkapitänen, die hier mit ihren kleinen Motorjachten unterwegs sind, gleich vier Schleusentore in verschiedene Richtungen. Für uns ist die Entscheidung leicht – links am Kanal entlang. Schäfchenwolken am Himmel, vom nächtlichen Regen leuchtend grün gewaschene Wiesen, auf denen erstaunlich wenige Kühe stehen, Stromtrassen, in ziemlich regelmäßigen Abständen kleine Windparkanlagen, bei denen sich zwar nicht alle Räder drehen – warum eigentlich nicht? – die aber sicherlich das Auge des Umwelt- und Energieministers erfreuen würden.

Das Wasser weist den Weg.

 

Einst Kohle & Co. für Wilhelmshaven

In der „bismarckschen Kuhrinne“ fahren heute fast nur noch kleine Motorboote, Paddler und Kanuten. Der Vorgänger des Kanals war das zwischen 1798–1800 gebaute Treckfahrtstief für Personen-, Tier- und Güterbeförderung zwischen Emden und Aurich auf flachen sogenannten „Schuiten“, die von Pferden auf den seitlichen Treidelwegen gezogen wurden.  Der Ausbau zu einem Kanal, der ganz Friesland durchquert, erfolgte zwischen 1800 und 1888, denn die neu gegründete Marinestadt Wilhelmshaven benötigte Kohle aus dem Ruhrgebiet, die über die Ems nach Norden verschifft und dann eben über den Kanal die neue Hafenstadt erreichte. Des Weiteren kamen die für das rasch wachsende Wilhelmshaven notwendigen Baumaterialien ebenso wie landwirtschaftliche Produkte, die gut und preiswert über den Kanal transportiert werden konnten, und schließlich konnte auch der in Friesland so reichlich abgebaute Torf diese Wasserstraße nutzen. Die wenigen größeren Transportschiffe, die wir dort am Ufer vertäut sahen, hatten nur kleine Bagger für die an den Uferrändern anstehenden Erdarbeiten geladen. Allerdings nimmt wohl die Frachtschifffahrt zwischen Emden und Aurich dank eines dortigen Betonwerks, das Sand und Kies benötigt, wieder zu. Auch wenn der Transport auf diesem Wasserweg keine große Bedeutung hat – der Ems-Jade-Kanal erfüllt eine wichtige Aufgabe als Teil der ostfriesischen Entwässerungsinfrastruktur. 

 

Friesland – dräuender Himmel, sattgrüne Wiesen, schwarz-weiße Kühe

Der Ems-Jade-Kanal: „Über 41 Brücken kannst du geh’n“

Länge: 72,3 km, 6 Schleusen (Abstiegsbauwerke in Emden, Rahe, Wiesens, Upschört, Wiesede, Mariensiel), 15 feste und 26 bewegliche Brücken, geeignet für Schiffe bis zu 33 m Länge, 6,2 m Breite, 1,7 m Tiefgang, Fließgeschwindigkeit 8 m/h, eröffnet 1888, überwiegend als Hochkanal geführt. Der Kanal wird betrieben von der Betriebsstelle Aurich des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) und auf den letzten 5,44 km, die zu den Binnenwasserstraßen des Bundes gehören, im Auftrag des Bundes von der Wasser- und Schifffahrtsdirektion in Aurich. Weitere Infos: https://www.nlwkn.niedersachsen.de/startseite/hochwasser_kustenschutz/kanale/ems_jade_kanal/der-ems-jade-kanal-46129.html

Wer sich für die Geschichte des Kanals interessiert, dem sei empfohlen: Friedrich von Seggern, Marion Wietelmann: 100 Jahre Ems-Jade-Kanal. Geschichte und Bedeutung einer Wasserstraße, in: Oldenburger Jahrbuch 89, 1989, S. 243-272.

 

 Die dichte Ufervegetation macht den Kanal zum Erlebnis am Wasser

 

Ein Idyll für Radfahrer

Zwischen Emden und Aurich ist der Kanal nicht einfach schnurgerade. Er macht weite Bögen, die Ufer sind dicht mit Schilf, Gräsern und Schwertlilien bewachsen. Eigentlich hat man eher das Gefühl, an einem Fluss entlang zu fahren. Ab und an quert man eine der typischen Kanalbrücken, fährt mal rechts, mal links am Kanal entlang und muss auch hier und da, aber selten, einen kleinen Abstecher über die, zum Glück wenig befahrenen Landstraßen in Kauf nehmen. Überdachte Schutzhütten und offene Rastplätze sind reichlich vorhanden und laden alle paar Kilometer zu einem gemütlichen Stopp ein. An einem dieser Rastplätze sehen wir die „Ostfriesland“ im Wasser liegen; jederzeit könnten ihre Segel aufgezogen werden!

Vorbei an der „Hauptstadt“ Ostfrieslands

In Aurich ändert der Kanal sein Gesicht. Er wird schmaler und gerader, seine hölzernen Begrenzungsbohlen sind deutlich sichtbar. Auch der Radweg ist längst nicht mehr so breit wie bisher. Überwogen zwischen Emden und Aurich weite Wiesen und hoher Himmel, so radelt man jetzt hintereinander über viele Kilometer wie durch einen schmalen, von allerlei Büschen und Bäumen verdichteten Tunnel. Die Boote tuckern langsam über das Wasser, die Freizeitkapitäne sitzen gemütlich auf ihrem Sonnendeck und die Enten, Rallen, Reiher und Kormorane lassen sich bei ihren Tagesgeschäften nicht stören.

Keine Yacht, aber auch nicht schlecht!

 

Arbeit und Freizeit am Kanal

 

Früher Energiezentrale, heute Blumenstädtchen

Irgendwann öffnet sich der Weg und der Blick wieder. Wir radeln an den Außenbezirken von Wiesmoor vorbei, jenem Städtchen, das zu Beginn des 20. Jhs. durch die Verstromung von Torf in einem eigenen Kraftwerk regionale Energiegeschichte geschrieben hat und heute vor allem durch seine Blumenzucht in riesigen Gärtnereibetrieben bekannt ist. Am Kanal stehen gepflegte Ziegelhäuser auf großen Grundstücken mit adrett beschnittenen Ziergehölzen und prachtvollen Blumenrabatten. Bei Sonnenschein sieht das alles herrlich aus!

In Friedeburg weiß man sowohl um die Attraktivität von Wasserwegen und hat eine Station für Paddelboote und Kanus eingerichtet als auch um die Anziehungskraft von schön gelegenen Rastplätzen. Da dürfte der Aufruf an uns, doch bald mal wiederzukommen, nicht verschwendet sein!

Hier dreht sich alles um Friedeburg

Eine kleine Pause muss ab und an mal sein!

 

Wilhelmshaven in Reichweite

Noch 25 km bis zum Ziel. Zwei Drittel sind geschafft. Jetzt werden die Kilometer heruntergezählt … 

Fast geschafft! Wer diese Brücke sieht, hat Wilhelmshaven so gut wie erreicht!

 

Wenn man schließlich durch Sande geradelt ist (der Radwegbelag ist gut, gemeint ist die Gemeinde Sande im LK Friesland) und schließlich die grüne Brücke sieht, weiß man: Die letzten fünf Kilometer pack ich auch noch! 

Der Kanal wird wieder zum Ort maritimen Arbeitens, statt kleiner Boote sieht man Lastschiffe, Kräne, Lager für Baumaterialien.  Das hübsche Logo, dem man zwischen Aurich und Wilhelmshaven noch einen weißen Anker auf schwarzem Grund zugesellt hat, verschwindet von den Straßenschildern. Man orientiert sich an den Bahngleisen, denn jetzt, so vermeldet der Allerwerteste, ist es genug. Sechs Stunden haben wir gebraucht, einschließlich einer guten halben Stunde Mittagspause und ab und zu einem kurzen „Beinevertreten“ und hier und da einem Stopp für ein Foto. 

Der Eingang zum Wilhelmshavener Bahnhof ist, wenn man nicht durch die Nordpassage gehen will, weil das für Fahrräder nicht erlaubt ist, recht gut versteckt. Aber das auch das findet sich auf dieser empfehlenswerten Tour – besonders bei schönem Wetter und Rückenwind.

 

Bildnachweis: Adobe Stock/filmbildfabrik

Johannes Kelschebach

meist in Oldenburg und viel unterwegs...
Dürfen wir Sie fragen wie eigentlich alles begann?: Ja, dürfen Sie - studiert habe ich Neu,- und Altgermanistik und Philosophie. Danach war ich viele Jahre als Werbetexter und Kreativdirektor für Agenturen tätig.
Und heute?: Seit 2006 arbeite ich als freiberuflicher Kommunikationsberater.
In Ihrer Freizeit erleben Sie auch viel, oder?: Nun, ich bin oft unterwegs. Vor allem in der Natur. Wie sagt man so schön, als Naturgucker und Vogelbeobachter.
Bildnachweis/Portrait: Privat

Johannes Kelschebach

meist in Oldenburg und viel unterwegs...
Dürfen wir Sie fragen wie eigentlich alles begann?: Ja, dürfen Sie - studiert habe ich Neu,- und Altgermanistik und Philosophie. Danach war ich viele Jahre als Werbetexter und Kreativdirektor für Agenturen tätig.
Und heute?: Seit 2006 arbeite ich als freiberuflicher Kommunikationsberater.
In Ihrer Freizeit erleben Sie auch viel, oder?: Nun, ich bin oft unterwegs. Vor allem in der Natur. Wie sagt man so schön, als Naturgucker und Vogelbeobachter.
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