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Auf ein Wasser mit... Dr. Franziska Tanneberger - „Nasse Moore braucht das Land“

Auf ein Wasser mit... Dr. Franziska Tanneberger - „Nasse Moore braucht das Land“

In diesem Jahr ist ein Buch erschienen mit einem „harmlosen“ Titel, in dem aber eine sehr komplexe Problematik und jede Menge Konfliktpotenzial stecken: „Das Moor. Über eine faszinierende Welt zwischen Wasser und Land und warum sie für unser Klima so wichtig ist.“

Auf rund 200 für Laien gut verständlich geschriebenen Seiten präsentiert es den Stand der modernen Moorforschung und die aus den Erkenntnissen derselben abzuleitenden Schlussfolgerungen und Handlungen.

Für den fachlichen Part verantwortlich zeichnet die Leiterin des international renommierten Greifswald Moor Centrums, Dr. Franziska Tanneberger:

Steckbrief Dr. Franziska Tanneberger

  • Geb. 1978 in Berlin, in der Kindheit erste trockene und nasse Moore auf Usedom
  •  Studium Landschaftsökologie und Naturschutz an der Uni Greifswald, Hauptfach: Moorökologie
  • 2006-8: Promotion über den Seggenrohrsänger
  • Stationen: Naturschutzprojekte in Polen, Belarus, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig
  • 2012 Rückkehr an die Uni Greifswald, 
  • seit 2015 zugleich Leiterin des Greifswald Moor Centrums
  • 2023 „Das Moor“ zus. mit Vera Schroeder, vgl. Lektüre Tipp 

Bildnachweis: Marlena Pfau

 

Einen anschaulichen Überblick zum Thema gibt in weniger als 5 Minuten der hier präsentierte Erklärfilm: https://www.boell.de/de/mooratlas

10 Fragen 

Einfach Heimat durfte der vielbeschäftigten, engagierten Wissenschaftlerin zehn Fragen zu dem komplexen Thema ‘das Ökosystem Moor und seine Bedeutung für unser Klima‘ stellen.

 

eH: Frau Dr. Tanneberger, bei uns hier tobt ein heftiger Streit (Delmenhorster Graft) darüber, was denn überhaupt ein Moorboden ist. Die Definition in Ihrem Buch: 30 cm Torfschicht mit mindesten 30 Prozent organischem Material. Das klingt nicht sehr kompliziert, aber wer weist überhaupt aus, was ein Moorboden ist – und wie erheblich die davon ausgehenden Klimagasemissionen sind?

Dafür gibt es in allen Bundesländern geologische Landesämter, die ja die Bodenkarten erstellen und aktualisieren. Einige Böden sind wirklich knifflig, gerade dort wo wir Menschen stark eingegriffen haben. Wichtig ist, dass wir uns besonders um alle kohlenstoffreichen Böden kümmern, da diese CO2 freisetzen können. 

 

eH: in Ihrem Buch erklären Sie unter anderem zunächst die Ursache dafür, warum trockene Moore die Klimakrise befeuern: Torf und Luft reagieren wie bei einer Verbrennung, in der Torfoxidation verbinden sich Kohlenstoff und Sauerstoff zu CO2. Der Boden löst sich buchstäblich in Luft auf. In Deutschland rechnen Sie, dass aus einem Hektar entwässertem Moorboden rund 40 Tonnen CO2-Äquivalente entweichen. Jahr für Jahr. Diesen Schwund an Boden, zu dem optisch wohl auch die einfache Versackung durch den Wasserentzug beiträgt, kann man hier bei uns an etlichen Stellen sehen. Im Ipweger Moor sind das beispielsweise zwei Meter nach zwei Generationen Grünlandwirtschaft. Erledigt sich das Problem da nicht irgendwann von allein? Sind die Böden nicht irgendwann „ausgegast“? Wie lange emittieren trockene Torfböden Klimagase? Wann gilt: „futsch is futsch“?

Wenn die Torfschicht aufgezehrt ist, also quasi vollständig verbrannt. Dann hören Moore in der Tat auf zu existieren. Aber sehr viele unserer entwässerten Moore haben noch dicke Torfschichten und wir sollten viel eher aufhören sie zu entwässern, als den Moorboden immer weiter nach unten runterzuwirtschaften.

 

eH: Im Streit um die „Delmenhorster Graft“ und die „Wiekhorner Wiesen“ geht es darum, dort Trinkwasser zu gewinnen. Kein Einzelfall, der hiesige Wasserversorger sucht händeringend nach geeigneten Stellen für Trinkwasserbrunnen. Schließen sich Wiedervernässung und Rohwasserförderung für Trinkwasser aus? Hätten wiedervernässte Flächen nicht sogar zwei Vorzüge – zumindest sofern eine Moorrestaurierung gelingt: nämlich die Filterwirkung und die Grundwasserneubildung durch den „Moorschwamm“ überm Grundwasserleiter?

Ja, nasse Moore wirken sich positiv auf das Wasser aus – sowohl auf die Menge an Grundwasser als auch auf die Wasserqualität. Daher haben sich zum Beispiel in Großbritannien schon früh Wasserversorger und Moorschützer zusammengeschlossen. Dort liegt etwa Dreiviertel des Einzugsgebietes des Trinkwassers in Mooren. Auch in Deutschland gibt es solche Beispiele, wie das Wasserwerk der Zukunft in Malchin.

 

eH: Naturnahe, vor allem wiedervernässte Moore sind nicht unbedingt ein Locus amoenus, also ein lieblicher Ort, für Naturschwärmer. Kommen da nicht eher Mücken in/s Schwärmen? Holen wir uns Malaria, das Sumpffiber, zurück? Richten wir der asiatischen Tigermücke, die sich mit den milderen Temperaturen hier zunehmend anfreundet, großflächig Brutstätten ein?

Was wir lieblich finden ist ja zum Glück subjektiv! Ganz im Ernst, es gibt eine Menge Menschen, die nassen Mooren sehr viel abgewinnen können. Ob aus diesen wirklich mehr Mücken kommen, wird gerade an verschiedenen Stellen untersucht. Auch die Entwässerungsgräben in den Mooren sind Brutstätten für Stechmücken, ebenso viele Orten in Siedlungen am Moor. Einer meiner Doktoranden untersucht gerade, ob Mücken in unseren Mooren Krankheiten für Menschen übertragen. Wir vermuten nein, wollen es aber genau wissen.

 

eH:  Neben dem „Sumpffieber“ weckt das nasse Moor weitere Bedenken: Sumpfgas, also Methan! Locken Sie etwa mit einem Irrlicht, wenn Sie Oxidation durch Luftabschluss unterbinden, aber gegen Gärung bei Luftausschluss eintauschen? Statt CO2 und Lachgas aus dem entwässerten Moor gibt’s Methan aus dem wiedervernässten? 

Ja, manchmal sogar eine ganze Menge. Methan ist auch ein sehr schädliches Treibhausgas – aber zum Glück zerfällt es in der Atmosphäre innerhalb von einigen Jahren. Wir haben die zusätzliche Erwärmung durch nasse oder trockne Moore modelliert, dabei zeigte sich, dass trockne Moore viel stärker zur Erderwärmung beitragen als nasse. Trotz des Methans.

 

eH: Nun haben wir gerade gelernt, Bäume lieb zu haben, zu umarmen und zu waldbaden. Ausgerechnet die Moorbirke ist 2023 zum „Baum des Jahres“ ernannt worden. Jetzt kommen Sie daher und wollen möglichst alle entwässerten Moorböden unter Wasser setzen, also unter anderem den Baum des Jahres und seine hübschen Artgenossen ersäufen, die doch auch CO2 aufnehmen. Waldsterben für den Klimaschutz? 

Auf Mineralböden bitte auf keinen Fall. Auf Moorböden kommt es wirklich auf die Baumart an. Vor allem Erlen, auch manche kleine Birken- und Weidenarten kommen im nassen Moor gut klar. Die Moorbirke aber, trotz ihres Namens, nicht. Das heißt, dass dort, wo sie wächst, das Moor nicht richtig nass ist und Treibhausgase freisetzt. Das sind dann in der Regel viel größere Mengen, als die dort wachsenden Bäume binden.

 

eH:  Die von mir oben angesprochene Auseinandersetzung um trocken gelegte Moorflächen bei Delmenhorst – in der auch Ihr Kollege Hans Joosten gehört wird – zeigt m. E. einige typische Probleme, die bei vielen Moorschutz-/Wiedervernässungsprojekten erwartbar sind: weitgehende Kenntnisfreiheit ist das erste, der Unwille, unbequeme Argumente anzuhören, das nächste. Aber da sind auch sehr nachvollziehbare wohlmeinende Wünsche und berechtigte Sorgen: „Erhalt als beliebte Parkanlage mit Baumbestand“ und nicht zuletzt Schutz angrenzender Wohnbebauung gegen Nässe … 

Ja, und diese Sorgen müssen angehört und erst mal respektiert werden. Dazu braucht es Menschen vor Ort, „Kümmerer“, die in den Moorgebieten unterwegs sind, den Menschen zuhören, Fragen stellen, was sie brauchen würden, um wieder mit nassen Mooren leben zu können – und Lösungen suchen. Für Ortschaften kann es auch notwendig sein, neue Entwässerungen direkt an den Ortschaften zu bauen.

 

eH:  Der Widerstand gegen Wiedervernässungsvorhaben beginnt sich hier schon zu formieren, noch ehe überhaupt konkrete Projektpläne vorliegen: 30.000 Arbeitsplätze in der regionalen Milchwirtschaft stünden auf dem Spiel, ließ schon vor etlichen Wochen ein Interessenvertreter der Landwirtschaft verlauten und schaffte es damit auf Anhieb auf den Titel der Regio-Presse. Dass Milchviehhaltung auf nassen Böden nicht geht, ist unbestritten. Zwei Drittel der entwässerten Moorböden wird landwirtschaftlich genutzt, zumeist als Grünland für eben Milchvieh. Ohne die Landwirtinnen und Landwirte, die oft auch die Landeigentümer sind und dort leben und wirtschaften, wird es nichts werden mit der „Moorwende für die Zukunft“, die Sie im resümierenden letzten Kapitel Ihres Buches fordern. Wie soll diese Schlüsselgruppe überzeugt und gewonnen werden?

Das wird nur mit überzeugenden Alternativen gehen und der Einsicht, dass ein Weiter so auf trocknen Mooren keine schlaue Langfriststrategie ist. Über die Alternativen wissen wir ja schon einiges – Beispiele für Paludikultur gibt es schon. Natürlich steht das noch sehr am Anfang, aber mit jedem Tag werden mehr Erfahrungen gesammelt und mehr Produkte erzeugt und vermarktet. Langfristig wird der Druck auf Flächeneigentümer*innen, die ihr Moor weiter entwässern, ganz sicher steigen. Ob wir wollen oder nicht.

 

eH:  Aus Naturschutzgründen und noch ohne den Fokus auf Klimaschutz gibt es seit Jahrzehnten, wenn auch in überschaubarem Maßstab, Wiedervernässungsprojekte – nicht zuletzt hier in Niedersachsen, der Hochburg der Hochmoore. Lässt sich da eine erste Bilanz ziehen? Mit Erkenntnisgewinnen für die von Ihnen postulierte Moorwende?

Wir sehen, dass sich die positiven Leistungen der nassen Moore wie die Minderung von Treibhausgasemissionen, der Rückhalt von Nitratverbindungen und die Kühlung der Landschaft schnell nach Wiedervernässung einstellen. Etwas anders ist es mit Biodiversität, viele moorspezifischen Arten kommen nur langsam oder nicht ohne unsere Hilfe zurück. In Regionen mit vielen wiedervernässten Moore zeigen Menschen auch schon heute, dass wir auch mit diesen wieder leben können. Und das vielleicht gar nicht mal schlecht.

Ein typischer, leider sehr selten gewordener Bewohner nasser Moore: die Zarte Rubinjungfer (Ceriagrion tenellum) auch unter den Trivialnamen Scharlachlibelle oder Späte Adonislibelle mehr oder minder bekannt

 

eH:  Stellen Sie sich bitte vor, Sie treffen im Moor eine gute Fee in Gestalt einer Torf-Mosaikjungfer, Sie haben drei Wünsche mit Bezug zur Sache frei. Was wünschen Sie sich?

Die gute Fee soll bitte dafür sorgen, dass alle Moore in Deutschland wieder nass sind, dass alle dort lebenden Menschen vernünftige Einkommensmöglichkeiten und Lebensqualität dank der nassen Moore haben – und sich selber vermehren, auf dass wir noch viel mehr gute Torfmoosjungfer-Feen um uns haben!

 

eH: Vielen Dank, liebe Frau Dr. Tanneberger, ich wünsche Ihnen viele aufmerksame Zuhörer und wachsame Leser, aus denen dann vielleicht engagierte Multiplikatoren werden!

Johannes Kelschebach

meist in Oldenburg und viel unterwegs...
Dürfen wir Sie fragen wie eigentlich alles begann?: Ja, dürfen Sie - studiert habe ich Neu,- und Altgermanistik und Philosophie. Danach war ich viele Jahre als Werbetexter und Kreativdirektor für Agenturen tätig.
Und heute?: Seit 2006 arbeite ich als freiberuflicher Kommunikationsberater.
In Ihrer Freizeit erleben Sie auch viel, oder?: Nun, ich bin oft unterwegs. Vor allem in der Natur. Wie sagt man so schön, als Naturgucker und Vogelbeobachter.
Bildnachweis/Portrait: Privat

Johannes Kelschebach

meist in Oldenburg und viel unterwegs...
Dürfen wir Sie fragen wie eigentlich alles begann?: Ja, dürfen Sie - studiert habe ich Neu,- und Altgermanistik und Philosophie. Danach war ich viele Jahre als Werbetexter und Kreativdirektor für Agenturen tätig.
Und heute?: Seit 2006 arbeite ich als freiberuflicher Kommunikationsberater.
In Ihrer Freizeit erleben Sie auch viel, oder?: Nun, ich bin oft unterwegs. Vor allem in der Natur. Wie sagt man so schön, als Naturgucker und Vogelbeobachter.
Bildnachweis/Portrait: Privat
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