Masterplan Wasser
Kostbares Nass - Niedersachsen bekommt einen Masterplan Wasser. Ziel: ein nachhaltiges Wasser-Management. Verbraucher, Industrie und Landwirtschaft sollen sparsamer mit dem Lebensmittel umgehen
Man kann die Entwicklung im eigenen Vorgarten beobachten: Brauner Rasen, trockene Gehölze, welke Blümchen. Und das nicht nur als vorübergehenden Zustand, sondern über Wochen hinweg. Keine Frage - Niedersachsen wird trockener. Die Sommer sind heißer und niederschlagsärmer als früher. Und auch übers gesamte Jahr hinweg fällt weniger Regen. Ursache ist - es hat sich längst herumgesprochen und ist auch wissenschaftlich inzwischen klar belegt - der Klimawandel.
Wie das konkret aussieht, berichtete Lena Hübsch vom Niedersächsischen Kompetenzzentrum Klimawandel (Niko) der Nordwest-Zeitung (NWZ vom 8. Juli https://www.nwzonline.de/niedersachsen/niedersachsen-umweltminister-wasserpreise-werden-weiter-steigen_a_4,0,1522267954.html). Demnach hat sich Niedersachsen in den vergangenen 140 Jahren um 1,7 Grad erwärmt. Die Zahl der Hitzetage mit Temperaturen über 30 Grad nimmt zu, inzwischen sind es fast acht Tage mehr als noch 1951. Die Wasserstände in Flüssen und Seen sinken im Sommer deutlich, und die unterirdischen Grundwasserreserven schwinden. Manche Landkreise schränken das Bewässern von Gärten, Wiesen und Feldern im Sommer bereits ein.
Zwar gibt es immer wieder auch starke Regenfälle, doch im Sommer kann der ausgetrocknete Boden die großen Wassermassen kaum noch aufnehmen. Sie fließen einfach ab, ohne die Pflanzen zu erreichen. Das kennt jeder, der schon mal ein ausgetrocknetes Beet gießen wollte.
Der Handlungsbedarf liegt also auf der Hand. Das hat die Politik erkannt und steuert nun gegen. Das niedersächsische Umweltministerium unter Christian Meyer von den Grünen arbeitet an einem „Masterplan Wasser“. Sein Ziel ist die sogenannte Klimafolgen-Anpassung, in die künftig kräftig investiert werden soll. Sprich Maßnahmen, die die Folgen des Klimawandels für Natur und Mensch abmildern. Mit dem „Masterplan Wasser“ will das Umweltministerium gemeinsam mit verschiedenen Partnern ein nachhaltiges, integriertes Wassermanagement aufbauen. (Dazu auch https://www.umwelt.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/pressemitteilungen/pi-031-tag-des-wassers-220795.html)
Warum ist ein Masterplan überhaupt nötig?
Wir verbrauchen zu viel Wasser, das verschärft die Folgen der Trockenheit. Das Umweltministerium hat ausgerechnet, dass die Niedersachsen rund 1,4 Milliarden Kubikmeter Grundwasser pro Jahr verbrauchen. Tendenz steigend - 2050 werden es vermutlich 1,7 Mrd. Kubikmeter sein. Auf die privaten Haushalte entfällt mehr als die Hälfte davon; Industrie und Landwirtschaft brauchen jeweils 20 Prozent. Zwar ging der private Pro-Kopf-Verbrauch in den letzten Jahren leicht zurück. Wegen der zunehmenden Trockenheit und der sandigen Böden wird aber der Anteil der Feldberegnung in Zukunft massiv steigen. Meyer schätzt laut NWZ-Bericht, dass der Bedarf hier von 254 Millionen (2015) auf knapp 600 Millionen Kubikmeter steigen dürfte. Diesem Trend soll der Masterplan entgegenwirken.
Seine Grundlage ist das Wasserversorgungskonzept von 2022. Es soll gemeinsam mit Landwirtschaft, Wasserverbänden, Industrie und Naturschutzverbänden zum „Masterplan Wasser“ weiterentwickelt werden. Ziel: mehr Wasser in der Fläche halten und weniger Regenwasser versickern lassen. Erste Modellprojekte sind bereits in Planung. So soll zum Beispiel in Osnabrück eine „Schwammstadt“ entstehen: Freie Flächen sollen zu einer Art Schwamm werden und Wasser speichern. Zudem sollen mehr Flächen entsiegelt werden. Meyer plädiert zudem für den Bau von Zisternen, Poldern und Regenrückhaltebecken. Das Land stelle dafür jährlich rund zehn Millionen Euro bereit.
Weiterer Punkt:
Die Feldberegnung soll eingeschränkt werden. Schon jetzt untersagen einige Landkreise die Beregnung in der Mittagszeit, weil das Wasser dann schnell verdunstet. Meyer denkt zudem über eine Änderung des Wasserrechts nach, damit die Unteren Wasserbehörden Faktoren wie Klimavorsorge und Grundwasserprognosen bei Anordnungen nutzen können. Der Umweltminister möchte dafür die Rechte von Behörden stärken, bestehende Wasser-Entnahmerechte zu beschränken. Es könne sogar passieren, dass der Anbau besonders „durstiger“ Pflanzen, wie Tomaten und Erdbeeren, in bestimmten Regionen untersagt wird. Bauern, die nur sparsam bewässern, sollen im Gegenzug weniger zahlen.
Aber auch wir privaten Verbraucher werden unseren Teil beitragen müssen: Denn laut Masterplan soll die Wasserentnahmegebühr steigen. Denkbar sei zudem, Haushalten je nach Bewohnerzahl eine bestimmte Menge zuzuweisen. Wer trotzdem mehr verbraucht, soll dann extra zahlen. Egal, wie diese Maßnahmen am Ende im Detail ausfallen - die Wasserpreise werden definitiv steigen, denn Wasser wird immer mehr zum knappen Gut, auch in unserer Region.
Passend zum Masterplan fordern vier Verbände aktuell einen Paradigmenwechsel in der Wasserwirtschaft. (Bericht in der Frankfurter Rundschau vom 11. Juli https://www.fr.de/hintergrund/bis-zum-letzten-tropfen-92393199.html) Der Energie- und Wasserdachverband (BDEW), der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW), die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) sowie der Stadtwerkeverband VKU haben ein Positionspapier veröffentlicht. Seine Kernforderungen: die Infrastruktur zum Transport von Wasser soll ausgebaut und bei Belastungen des Grundwassers das Verursacherprinzip stärker durchgesetzt werden. Flächen sollen entsiegelt werden, in der Land- und Forstwirtschaft der Boden seine wasserspeichernde Funktion zurückerhalten und die Begrünung von Fassaden- und Dachflächen vorangetrieben werden.
Um Nutzungskonflikte mit Landwirtschaft und Industrie zu entschärfen, sollten Konzepte zur „Substitution der natürlichen Wasserressourcen“ entwickelt werden. Das klingt kompliziert, ist es aber eigentlich gar nicht. Denn dahinter verbirgt sich die Forderung, endlich auch die enormen Potenziale der Nutzung von Gebrauchswasser anzugehen – riesige Mengen Trinkwasser könnten so eingespart werden. Zudem brauche es eine effiziente Überflutungs- und Hochwasservorsorge mit Flächen, wo sich Wasser ausbreiten und langsam versickern kann, ohne Schaden anzurichten. Flutkatastrophen soll so entgegengewirkt werden.
Das Positionspapier beleuchtet auch die sogenannten „anthropogenen Spurenstoffe“ im Wasser. Diese Rückstände von Medikamenten, Zusatzstoffe aus Lebensmitteln, industriellen Produkten, Kosmetika oder Pestiziden steigen. Sie herauszufiltern, ist teuer, was die Gebühren in die Höhe treibt. Und es kostet viel Energie. Das wiederum belastet die Klimabilanz der Wasserversorger. Würde hier das Vorsorge- und Verursacherprinzip stärker umgesetzt, würde das dazu führen, dass die schädlichen Stoffe gar nicht erst in den Wasserkreislauf gelangen, sondern von Unternehmen und der Landwirtschaft durch umweltfreundliche Produkte ersetzt werden.
Natürlich steht nicht nur Deutschland vor diesem gigantischen Problem - vor allem Ländern im Süden Europas wie Spanien, Teilen Portugals, Südwestfrankreichs und Regionen in Italien droht eine verheerende Dürre. Die Regierungen reagieren jetzt mit Milliarden-Programmen. (Bericht in der Berliner Morgenpost vom 08.07.2023 https://www.morgenpost.de/politik/article238882407/hitze-sommer-duerre-wassermangel-frankreich-italien-deutschland.html). Lokale Behörden reagieren vor allem mit Beschränkungen des Wasserverbrauchs. Doch damit will man sich in Zukunft nicht mehr zufriedengeben. Umfassende Programme sollen eine nachhaltige Wasserwende einleiten.
Die italienische Regierung etwa hat im Frühjahr ein Milliardenprogramm zum Kampf gegen die Wasserknappheit aufgelegt. Wegen maroder Leitungen gehen dem Land 40 Prozent des Wassers unterwegs verloren. Neben der Leitungserneuerung und dem Ausbau von Stauseen will man deshalb auch in die Wasserwiederverwendung investieren – sprich Abwasser in der Landwirtschaft einsetzen. Ein Schritt, der hierzulande noch auf Skepsis stößt.
Nachdem die Politik in Spanien bislang kaum reagierte, will die Regierung nun in den nächsten drei Jahren 23 Milliarden Euro in die Wasserwende investieren: Eine Großaufbereitungsanlage für Brauchwasser und zwei Meerwasserentsalzungsanlagen wurden beschlossen. Gut zwei Milliarden Euro fließen zudem in die Modernisierung landwirtschaftlicher Bewässerungsanlagen.
Auch in Südfrankreich sind die Bürger aufgerufen, Autos nicht mehr zu waschen, Pools nicht mehr zu füllen, Rasen und Blumenbeete nicht mehr zu gießen. Voriges Jahr hatten 700 Gemeinden Probleme mit der Trinkwasserversorgung. Nach dem Dürrejahr 2022 legte die Regierung dem Bericht zufolge nun einen „Antidürreplan“ mit 53 Maßnahmen vor: Landesweit sollen bis 2030 zehn Prozent weniger Wasser verbraucht werden. Großabnehmer werden stärker zur Kasse gebeten und im großen Stil Brauchwasser zur Wiederverwendung aufbereitet werden. Aktuell wird nur ein Prozent wiederverwertet, bis 2030 sollen es zehn Prozent sein.
Auch wenn die Situation im Detail natürlich eine andere ist - fest steht, dass die meisten Länder Europas in Zukunft erfindungsreicher werden müssen, um das kostbare Nass zu bewahren. Die Zeiten der sorglosen Verschwendung sind unwiederbringlich vorbei - in Niedersachsen und anderswo.
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