Bodenaufbereiter oder Buddelplage?
Für viele Gartenliebhaber, aber auch Naturbeobachter wirft der Maulwurf mit seinem Aushub auch einige Fragen auf.
Die gängigsten ;-) sollen hier beantwortet werden.
Seit über 200 Jahren ist das Verhältnis des Menschen zum Maulwurf ein zwiespältiges. Früh erkannten Naturkundler seinen Nutzen als Vertilger von Pflanzenschädlingen, immer schon hatten Landwirte und Gärtner zugleich haufenweise ihre Probleme mit dem schwarzen Wühler.
Zu den frühen Verteidigern des Maulwurfs zählt der Schriftsteller und Lehrer für Naturgeschichte Johann Peter Hebel (1760–1826). Korrekt unterscheidet er am Gebiss den Insektenfresser vom Nagetier und würdigt seine Leistung als effizienter Jäger von Käfer- und Schnakenlarven:
„Nicht der Maulwurf frißt die Wurzeln ab, sondern (…) die Engerlinge die unter der Erde sind, aus welchen hernach die Maykäfer und anderes Ungeziefer kommen. Der Maulwurf aber (…) reinigt den Boden von diesen Feinden. (…) und bekommt für eine Wohlthat, die er euch erweisen will, des Henkers Dank.“ Hier geht’s zum auch heute noch lesenswerten Text von Hebel.
Naturschutz für „ein wahrhaft furchtbares Raubthier“
Den 1807 von Hebel beklagten Undank dürfte das kleine Untergrundraubtier heute von Rechts wegen nicht mehr zu fürchten haben. Auch wenn seine Art nicht als „bedroht“ gilt, steht der Maulwurf unter dem Schutz des § 44 BNatschG, der es verbietet, geschützte Tiere zu fangen, zu verletzen oder zu töten. Ein „Vergrämen“ hingegen ist gestattet (s. u.). 2020 wurde der Maulwurf in Deutschland (durch die Deutsche Wildtier Stiftung) und Österreich (vom Naturschutzbund) zum „Tier des Jahres“ gekürt.
Ein Votum, dem der Verfasser des legendären Werks der Zoologie „Brehms Tierleben“ wohl nur zögerlich gefolgt wäre, heißt es doch in seinen Ausführungen:
„… alle Mulle sind im höchsten Grade unverträgliche, zänkische, bissige, räuberische und mordlustige Thiere, welche selbst den Tiger an Grausamkeit übertreffen und mit Lust einen ihres Gleichen auffressen, sobald er ihnen in den Wurf kommt. (…) Schon aus dem bis jetzt Mitgetheilten ist hervorgegangen, daß der Maulwurf im Verhältnis zu seiner Größe ein wahrhaft furchtbares Raubthier ist. (…) Er ist wild, außerordentlich wüthend, blutdürstig, grausam und rachsüchtig, und lebt eigentlich mit keinem einzigen Geschöpfe im Frieden, außer mit seinem Weibchen, mit diesem aber auch bloß während der Paarungszeit, und so lange die Jungen klein sind.“
„… eines der wohlthätigsten Säugethiere“
Trotz dieser wenig freundlichen, recht drastischen Charakterisierung anerkennt auch „Thiervater“ Alfred E. Brehm:
„Es läßt sich nicht leugnen, daß der Maulwurf durch Wegfangen der Regenwürmer, Maulwurfsgrillen, Engerlinge und anderer verderblicher Kerbthiere großen Nutzen stiftet, und er wird deshalb an allen Orten, wo man seine aufgeworfenen Haufen leicht wegschaffen kann, immer eines der wohlthätigsten Säugethiere bleiben.“*
*Säugethiere: Zweite Reihe: Krallenthiere, S. 1839ff. Digitale Bibliothek Band 76: Brehms Tierleben, S. 2887ff (vgl. Brehm-TL Bd. 2, S. 256ff, Hildburghausen, 21882-87)
„… ein Hercules der Arbeit, eine lebendige Wühllocomotive“
In einem naturkundlichen Aufsatz von Adolf und Karl Müller überwiegt 1880 bereits die Bewunderung die Geringschätzung:
„Der Maulwurf (Mull-, d.h. Erdaufwerfer) ist ein Riese an Kraft und Muth in Zwerggetalt, ein Hercules der Arbeit in niederster Erscheinung, ein Nimmersatt in der Begierde der Selbstbefriedigung durch Raub, Mord und Gefräßigkeit, eine lebendige Wühllocomotive, die sich nach allen Richtungen hin unter der Erde den Weg bahnt und die täglichen Züge ordnungsmäßig innehält, Morgens, Nachmittags und Abends, abgerechnet die Extrazüge, welche je nach Umständen und Bedürfniß abgehen und die zahlreichen Nachtzüge. Die Hauptanhaltestellen sind da, wo das kriechende Vegetariergeschlecht unterirdischen Gewürms sich um Wurzeln sammelt, und die Orte, wo Wasser eingenommen wird, selbstgefertigte Erdtrichter, in denen sich das unentbehrliche Naß durch Zufluß ansammelt.“*
*Adolf Müller/Karl Müller, Der Maulwurf, in: Die Gartenlaube 14 (1880), S. 232-234, zitiert nach Nadine Kulbe: Maulwurfsmonitoring, Dresden, 2020
Ein Insektenfresser, wie er im Buche steht
Die wortgewaltigen, heute etwas skurril wirkenden Beschreibungen des 19. Jahrhunderts enthalten durchaus die relevanten zoologischen Fakten: Der Insektenfresser hat durch seine emsige Wühltätigkeit, die sich keineswegs auf Nachtaktivität beschränkt, einen enormen Energiebedarf, der seinen Mordsappetit auf (vor allem) Wirbellose auslöst. Um ihn zu stillen, vertilgt ein Maulwurf von rund 100 Gramm täglich fast sein eigenes Gewicht an Beutetieren. Ohne Nahrung kann er kaum länger als 24 Stunden aushalten. Trinken muss er ebenfalls.
Da er in frostfreie Bodenregionen vordringen kann, findet er auch in der kalten Jahreszeit Nahrung. Zudem legt er eine Vorratskammer mit zumeist Regenwürmern (durch das Zerbeißen einiger Segmente am Entschlüpfen gehindert) an. Im Gegensatz zum verwandten Igel hält er also keineswegs einen Winterschlaf, sondern bleibt ganzjährig aktiv.
Das „Wildtier des Jahres 2020“: Kleiner Maulwurf mit gewaltigen, als Grabschaufeln ausgebildeten Vorderpfoten
Die „Kinder der Finsternis“ vergrämen?
Es ist gerade die bewunderungswürdige ganzjährige „Herkulesarbeit“, die dem Greenkeeper oder Fan gepflegter Rabatten oft aufwühlende Gefühle verursacht. Wilhelm Busch hat das in Vers und Bild gebannt: „Der Maulwurf“ zeigt uns die für beide Parteien unschöne Auseinandersetzung zwischen Gärtner Knoll und dem „schwarzen Wühler“, mit tragischem Ende für Letzteren:
„Da liegt der schwarze Bösewicht.
Und wühlte gern und kann doch nicht;
Denn hinderlich, wie überall,
Ist hier der eigne Todesfall.“
Zum vollständigen Text.
Heute müsste Knoll für die Mordtat und den Verstoß gegen §44 BNatschG mit einer empfindlichen Geldstrafe (bis 50.000 Euro) rechnen. Zahlreiche mehr oder minder probate mildere Hausmittel erlauben den entnervten Knolls von heute aber das Vergrämen der Kinder der Finsternis. Dabei zielen alle Mittel auf einen oder mehrere der empfindlichen Sinne des Mulls: Er sieht zwar schlecht, hört und riecht aber sehr gut und reagiert empfindlich auf Erschütterungen. Deshalb können neben den eigens dafür vorgesehenen Geruchs-, Geräuschs- und Vibrationserzeugern moderne Mähroboter als Maulwurfsschreck wirken. Gemein ist allem Vergrämgerät: Kann klappen, muss aber nicht.
Zur Vergräm-Tipp-Sammlung.
Der Mähroboter macht Schnittrasenfans doppelt glücklich: bei ständigem Einsatz erspart er nicht bloß Arbeit, sondern vergrault oft durch sein Laufgeräusch und die dabei verursachte Bodenvibration auch den Maulwurf.
Öko-Ingenieur im Untergrund
Bevor mensch sich Vergräm-Stress macht, bitte zu bedenken: Der Wühler nützt mehr, als er schadet. Selbst seine unserem Ordnungsdrang störenden Hügel sind von ökologischem Wert. Das Durchbrechen einer Einheitspflanzendecke gibt konkurrenzschwachen, lichtabhängigen Pflanzen eine Entfaltungsmöglichkeit. Im Garten kann die Erde für Kübelpflanzen verwendet werden. Vor allem aber bewirkt die belüftende Wühltätigkeit eine Bodenbelebung durch Mikroorganismen. Die Anwesenheit des Maulwurfs ist ein Bio-Indikator dafür, dass noch gesundes Leben in unseren Böden ist. Und trotz seines gewaltigen Hungers auf Regenwürmer wird er eine gesunde Population dieser tüchtigen Bodenaufbereitungskollegen nicht gefährden.
Verlassene Maulwurfsbauten werden schließlich von Spitzmäusen, Erdkröten & Co. nachgenutzt.
Hier geht’s zum NABU-Porträt.
Wer war das!? Maulwurf oder Wühlmaus?
Gleicht der Aushubhaufen einem gleichmäßig kegelförmigen Minivulkan war ein Maulwurf am Werk. Mittig, steil unter dem „Vulkan“ befindet sich das in die Tiefe führende Tor zur Unterwelt. Ungleichmäßiger, mit dem Grabloch eher schräg unterm Aushub, sieht ein Wühlmaushügel aus. Die Nager bleiben dicht unter der Oberfläche, sodass oft die Aufwölbungen ihrer Gänge sichtbar sind. Zoologisch gesprochen handelt es sich bei den Knollenfressern um (Östliche) Schermäuse. Wühlmaus ist der übergeordnete Familienname, zu der auch die Feldmaus und als größter Vertreter der Bisam (volkstümlich „Bisam- oder Wasserratte“) zählen.
Die Schermaus hat als vielseitiger Vegetarier Appetit auf Wurzelgemüse wie auch auf verschiedenste Blumenzwiebeln, und leider werden auch Rinde oder Wurzeln von Obstbäumen benagt. Sie verabscheut den Geruch von Knoblauch und Kaiserkronen (Vergrämtipp) und liebt Klee sowie Süßgräser wie die Quecke (Ablenkfutter).
Schön anzuschauen, stinkt aber Wühlmäusen wie Maulwürfen gewaltig: Kaiserkronen. Die Geruchsvergrämung geht von den Zwiebeln des Liliengewächses aus.
Wer Maulwürfe im Garten hat, bleibt von Schermäusen in aller Regel verschont. Der territoriale schwarze Untergrundkämpfer frisst junge Mäuse und verteidigt sein Revier gegen Eindringlinge.
Sobald der Maulwurf sein unterirdisches Reich verlässt, ist er - wie eine Maus - zahlreichen Fressfeinden ausgesetzt: Greifvögel, Eulen, aber auch Storch, Reiher, Rabe, Marderartige und der Fuchs stellen ihm nach – nicht zu vergessen 15 Millionen Katzen, die in Deutschland gehalten werden. Die Mortalität ist besonders im ersten Lebensjahr, wenn die Jungen sich ein eigenes Revier suchen müssen hoch.
Ein Held wie gemalt
Zu einem besseren Image des Maulwurfs hat sicher nicht zuletzt der tschechische Zeichner Zdeněk Miler mit seiner international erfolgreichen Figur „Der kleine Maulwurf“ (Krteček, 1956) beigetragen. Aus der schwarzen Buddelwalze wurde ein niedlicher Trickfilmheld, der Generationen von Kindern entzückt und ruhmreiche Nachfolger fand wie den Kinderbuchklassiker „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat.“ (Werner Holzwarth und Wolf Erlbruch, 1989).
Zoologischer Steckbrief: Europäischer Maulwurf Talpa europaea
- Körper walzenförmig ca. 5 cm hoch, Länge 10–15 cm + 2,5 cm Schwanz, Gewicht 100–120g
- Die Männchen sind deutlich größer und schwerer
- typisches Insektenfressergebiss mit 44 Zähnenmarkante schaufelartige Vorderbeine mit kräftigen Grabkrallen an allen fünf Fingern, Hinterbeine deutlich schwächer
- Augen und muschellose Ohren verschließbar
- dichtes strichloses Fell, nur der Nasenspiegel unbehaart.
- bevorzugt Regenwürmer, Insekten/-larven, Nacktschnecken, Asseln, gelegentlich auch junge Mäuse, Frösche, Blindschleichen.
- Paarung im Frühjahr; nach rund vierwöchiger Tragzeit drei bis fünf Junge; etwa sechs Wochen Brutpflege durch das Muttertier, dann selbstständig, aber erst im Folgejahr in eigenem Revier fortpflanzungsfähig.
- Lebenserwartung drei bis fünf Jahre.
Bildnachweise:
Bild Maulwurf: AdobeStock/santia3
Bild Mähroboter: AdobeStock/Alex_Traksel
Bild Kaiserkronen: AdobeStock/Peter Allgaier
Bild Storch: Prof. Dr. Lothar Wierschowski