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Was gibt's Neues vom Gründach? Blumen statt Bitumen!

Was gibt's Neues vom Gründach? Blumen statt Bitumen!

In drei Beiträgen berichtete unser Autor über seine Erfahrungen mit Planung, städtischer Förderung und Realisierung seines gut 50 Quadratmeter großen Gründachs. Im September 2022 angelegt, erlebt es nun seinen zweiten Frühling – und das sieht schon ganz anders aus als der erste Lenz 2023 zum Anwachsen. Schauen und lesen Sie selbst …

 

Bienen- und Augenweide: Es grünt, so grün – und blüht …

„Grüne Dächer braucht das Land!“ – Vor allem unsere Städte, denn hier können begrünte Gebäudedächer zumindest teilweise die Versiegelung der überdachten Grundflächen kompensieren. Als „Ökoschwamm und Augentrost“ unterstützen sie den natürlichen Wasserkreislauf, indem sie Wasser speichern, das dann allmählich wieder verdunsten kann.  Niederschlagswasser, das wieder natürlich versickern und verdunsten kann, entlastet unsere Kanalisation, die durch immer häufigeren Starkregen immer öfter überfordert wird. Zudem bilden die Pflanzengemeinschaft, die auf Gründächern entstehen, urbane Minibiotope mit wertvollen Ökodienstleistungen für unser Klima und den Insektenschutz. Besonders etliche Wildbienenarten finden sich rasch ein, wenn so ein Gründach erst einmal „ins Blühen kommt“. Davon und den Praxiserfahrungen nach zwei denkbar verschiedenen Wachstumsperioden soll hier die Rede sein.

In der Steingartenpflanzengemeinschaft setzen die gelben Polster des Scharfen Mauerpfeffers (Sedum acre) peppige Akzente.

 

Was bisher geschah...

… zunächst zur Erinnerung (und Ermunterung zum Nachlesen ;-) ein kurzer Rückblick auf meinen Weg zum Gründach:

Teil 1 erläutert die wichtigen Voraussetzungen für die Anlage eines Gründachs und was zu tun ist, um in den Genuss der lukrativen Förderung zu gelangen, wie sie beispielsweise die Stadt Oldenburg gewährt.

Aktuell gilt: Das im Oktober 2019 gestartete „Förderprogramm Dachbegrünung“ der Stadt Oldenburg läuft unverändert weiter. Die im Artikel geschilderten „Spielregeln“ gelten also weiterhin, sodass eine lukrative Förderung von 50 Prozente der Kosten für ein Gründach ab zehn Quadratmetern Mindestfläche die Finanzierung spürbar erleichtert.

Das linke Bild zeigt die Ausgangslage 2022: ein typisches dunkles Bitumenflachdach. Das rechte Bild entstand jetzt im zweiten Frühling.

 

Teil 2 zeigt, wie der Plan, mein Doppelgaragenflachdach von einer finsteren Bitumen- in eine Grünfläche zu verwandeln, im September 2022 umgesetzt wurde und „Stadt- Land. Grün.“ das 5-schichtige System von der Wurzelschutzfolie bis zur Systemerde „Steinrosenflur“ aufgebaut hat. Drei Wochen nach Aussaat der Samenmischung „Bienenweide“ spross im Oktober 2022 erstes zartes Grün. Erklärt wird zudem, wie mensch in den Genuss einer „Niederschlagswasserbeseitigungsentgeltreduzierung“ gelangt. Denn die Fläche unter einem Gründach zählt rechnerisch als teilentsiegelt, sodass sich das Niederschlagswasserbeseitigungsentgelt für diese Fläche um 50 Prozent reduziert.

Teil 3 Die Wachstumsperiode 2023 schockte nach verheißungsvollem Auftakt mit einer dreiwöchigen Dürre ab dem 22. Mai. Im Interview erklärte mir GaLaBau-Meister René Bruns von Stadt. Land. Grün., dass trotz sichtbarer Trockenschäden alles im grünen Bereich sei. Pflanzsubstrat und vor allem die Wahl der Pflanzen mit wasserspeichernden Dickblattgewächsen sind so gewählt, dass Trockenphasen ohne künstliche Bewässerung überstanden werden. Tatsächlich erholte sich mein Gründach nach dem ersten Regen rasch wieder. Fast ohne eigenes Zutun …

Die Fortsetzung des Gartens mit anderen Mitteln

… was heißt fast? Wie vom GaLaBau-Meister empfohlen, beschränkte sich mein pflegerisches Eingreifen auf eine kurze Begehung im Herbst und dann erneut im Frühjahr. Es gab kaum mehr zu tun, als einige aufkeimende Bäumchen auszuzupfen, die sich vom nahen Schwarzerlenwäldchen und der Scheinbuchenhecke des Nachbarn ausgesät hatten sowie einige Eichen, die übereifrige Eichhörnchen und Eichelhäher glaubten „pflanzen“ zu müssen.

Eine Handvoll etwas karger Stellen füllte ich mit diversen Sempervivum Arten auf, die ein bekannter Discounter für kleines Geld feil bot. Ein Gründach ist gewissermaßen die Fortsetzung des Gartens, aber mit dem nicht unerheblichen Unterschied, dass ein häufiges pflegerisches Eingreifen sich erübrigt. Das gilt zumindest für extensive Gründächer mit entsprechendem Systemaufbau der Pflanzschicht.

Ebenfalls reich vertreten: die Heidenelke (Dianthus deltoides). Sie ist robuster als ihre zarten, aber kräftig pinken Blüten vermuten lassen, sie verträgt Prallsonne und Trockenphasen. 

 

Die große Flut

Der Spätherbst/Winter 2023/24 stellte für viele Menschen in der Region in vielerlei Hinsicht eine Belastungsprobe da. Es regnete bereits ab Ende Oktober ständig und Rekordwasserstände und Überflutungen waren die Folge. Für mein Gründach ein Härtetest in zweierlei Hinsicht: Entwässerung und Statik. Beides tadellos bestanden: Die Drainagelage arbeitete einwandfrei und die normale Entwässerung des Flachdachs funktionierte unbeeinträchtigt. Der „Schwamm“ konnte zeigen, was er kann. 

Hier sei erneut auf die unverzichtbare statische Prüfung hingewiesen, die einer Gründachanlage vorausgehen muss. Selbst bei einem extensiven Gründach (flache Pflanzschicht mit magerrasenartigem bzw. Steingarten-Bewuchs) können pro Quadratmeter Gewichtsbelastungen von bis zu drei Zentnern auftreten, wenn der Ökoschwamm voll also mit Wasser gesättigt ist! Achtung: Auch das statische Gutachten kann in Oldenburg gefördert werden – mit bis zu 600 Euro, was für kleinere Privatprojekte kostendeckend sein kann. Der Antrag dafür ist separat zu stellen!

 

Die erste volle Sedum-Blüte

Auf die Belastungsprobe dunkle Jahreszeit mit Rekordniederschlagsmenge folgte ein Frühjahr mit einem Wonnemonat Mai, der überdurchschnittlich warm und nass war. Keine Spur von Eisheiligen; dafür folgte ein Juni mit Schafskälte ohne Ende und immer wieder „ergiebigem Regen“.

Was vielen Gartenfreunden wenig behagte, tat meinem Gründach geradezu gut: Endlich entfaltet es eine Blütentracht, die dem Namen der Samenmischung „Bienenweide“ Ehre macht. Diverse Wildbienenarten schwärmen für die überwiegend relativ kleinen gelben, pinken, weißen und violetten Blüten. 

Erdhummeln sind häufige Besucher der gelben Polster des Scharfen Mauerpfeffers.

 

Gegenüber dem sattgrünen Garten eine Etage unter dem Gründach lässt sich zoologisch ein deutlicher, angenehmer Unterschied feststellen: Während der mild-nasse Winter plus feuchtem Lenz „unten“ zu einem Schneckenrekordjahr führt (natürlich mit der Wegeschnecke als dominanter Art), lässt sich „oben“ keiner von den gefräßigen Schleimern blicken. Hier gilt: Wer fliegen kann, ist oben.

Da fliegen sie drauf: Hummeln finden Sedumblüten echt scharf.

 

Wo sich die Hummeln tummeln

Wer genauer wissen möchte, aus welchen Pflanzen sich die Samenmischung „Bienenweide“ zusammensetzt, kann am Ende des Artikels die Liste der 41 Arten einsehen. Charakteristisch: fünf Sedumarten wie Mauerpfeffer und Fetthenne, die einerseits Prallsonne ertragen und andererseits in ihren Sprossen und Blättern Wasser speichern.

Auch der Gewöhnliche Natternkopf (Echium vulgare) findet unter den Wildbienen etliche Liebhaberinnen.

 

Es kommen darüber hinaus viele weitere Arten in Betracht, Voraussetzung: Sie sollten Trockenphasen überstehen können, und auf den meisten Dächern müssen sie auch mit Sonne satt zurechtkommen. Magerrasen- und Steingarten-Arten sind erste Wahl.

Und natürlich gilt auf dem Dach wie im Garten und in der Liebe: „gefallen macht schön!“ Aber nicht bloß an den eigenen Gusto denken – bitte auch an Wildbiene & Co. 

 

Arten der erwähnten Pflanzengemeinschaft „Bienenweide“ auf „Steinrosenflur“

Johannes Kelschebach

meist in Oldenburg und viel unterwegs...
Dürfen wir Sie fragen wie eigentlich alles begann?: Ja, dürfen Sie - studiert habe ich Neu,- und Altgermanistik und Philosophie. Danach war ich viele Jahre als Werbetexter und Kreativdirektor für Agenturen tätig.
Und heute?: Seit 2006 arbeite ich als freiberuflicher Kommunikationsberater.
In Ihrer Freizeit erleben Sie auch viel, oder?: Nun, ich bin oft unterwegs. Vor allem in der Natur. Wie sagt man so schön, als Naturgucker und Vogelbeobachter.
Bildnachweis/Portrait: Privat

Johannes Kelschebach

meist in Oldenburg und viel unterwegs...
Dürfen wir Sie fragen wie eigentlich alles begann?: Ja, dürfen Sie - studiert habe ich Neu,- und Altgermanistik und Philosophie. Danach war ich viele Jahre als Werbetexter und Kreativdirektor für Agenturen tätig.
Und heute?: Seit 2006 arbeite ich als freiberuflicher Kommunikationsberater.
In Ihrer Freizeit erleben Sie auch viel, oder?: Nun, ich bin oft unterwegs. Vor allem in der Natur. Wie sagt man so schön, als Naturgucker und Vogelbeobachter.
Bildnachweis/Portrait: Privat
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