Zuhause im Tiny House: Wohnen auf engstem Raum
Immer mehr Menschen entscheiden sich für ein Leben im eigenen Tiny House. Das Wohnen auf begrenzter Quadratmeterzahl spart nicht nur Kosten, sondern bietet vielfach auch die Möglichkeit für einen umfassenden Neustart mit deutlich weniger Ballast und mit deutlich mehr Flexibilität. Die Auswahl reicht dabei vom kreativ ausgebauten Atelier-Bauwagen über das Design-Modulhaus bis hin zum familientauglichen Minihaus. Wichtige Impulse zum Thema liefern Architektenentwürfe wie das Modulhaus Tiny 100.
Nicht nur in New York oder London, auch in München, Freiburg und Berlin ist Wohnraum in den vergangenen Jahren immer knapper und teurer geworden. Mieten von 15 oder gar 20 Euro je Quadratmeter sind inzwischen längst keine Seltenheit mehr. Um dennoch nicht aufs Land ziehen zu müssen, werden Tiny Houses oder Mikro-Apartments immer mehr zum Trend. Gesucht wird nach intelligenten Lösungen, die ein kostengünstiges und möglichst nachhaltiges Wohnen auf begrenzter Quadratmeterzahl ermöglichen.
Bildnachweis: Futteralhaus
Viele der Tiny Houses sind lediglich 20 bis 30 Quadratmeter groß, entsprechend wichtig sind deshalb eine intelligente Grundrissgestaltung sowie eine maximal komprimierte Innenausstattung. Die Gruppe an Interessenten erweist sich dabei als überraschend vielfältig: Die Nachfrage kommt von jungen Menschen oder Aussteigern mit Bauwagenromantik ebenso wie von kreativen Freiberuflern oder angehenden Rentnern, die ihren Lebensabend mit dem Traum von Freiheit verbinden wollen. Die meisten Tiny House Bewohner verbinden ihr Wohnkonzept dabei mit einer minimalistisch orientierten Lebensphilosophie, die sich bewusst gegen den allgegenwärtigen Konsumüberfluss wendet.
Bildnachweis: Futteralhaus
Tiny-House-Bewegung aus den USA
Ihren Ursprung hat die Bewegung in den USA, wo es bereits seit Jahren eine wachsende Tiny-House-Gemeinde gibt, die aus freien Stücken oder getrieben durch die Finanzkrise nach neuen Wohnalternativen suchte. Propagiert wird dabei das Leben auf engstem Raum, am besten gemeinsam mit Gleichgesinnten in einem nachhaltig gefertigten Wohn- oder Bauwagen. Der Vorteil dabei: Die flexiblen Bauten schaffen nicht nur einen vollwertigen Lebensraum für Freiheitsliebende oder für moderne digitale Nomaden, sondern bieten sich auch als unkomplizierte Wohnraumerweiterung an.
Inzwischen ist der Trend auch in Deutschland angekommen. Zu den prominentesten Vertretern der Szene gehört dabei der Berliner Architekt Van Bo Le-Mentzel, der 2015 sein Modulhaus Tiny100 vorstellte. Die 6,4 Quadratmeter große, 3,60 Meter hohe und für eine maximale Mobilität auf einem Anhänger aufgestellte Musterwohnung soll innerstädtisches Wohnen für eine fiktive Miete von 100 Euro im Monat ermöglichen. Im unteren Bereich stehen Küche, Bad und Wohnstube zur Verfügung. Über eine verschiebbare Holzleiter gelangt man von dort in den oberen Schlafbereich, der gleichzeitig als Arbeitsplatz dient. Im Frühjahr 2017 war das Haus gemeinsam mit elf anderen mobilen Mini-Wohnungen im Rahmen des „Bauhaus Campus Berlin“ im Innenhof des Bauhaus-Archivs zu erleben. Bei dem von Le-Mentzel kuratierten Projekt hatten Akteure aus Design und Wissenschaft die Gelegenheit, neue Formen des Zusammenlebens zu entwickeln.
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Individuelle Entwürfe
Ein weiteres interessantes Tiny-House-Projekt ist das sogenannte „Futteralhaus“. Das eingeschossige Modul wurde durch die Architektin Nataliya Sukhova vom Büro Transstruktura zusammen mit dem Futteralhaus GmbH Team um Maxim Kurennoy (Gründer, Geschäftsführer, Architekt), Anete Leskevica (Produktionsleitung) und Luigi Scapin (Architekt, Innenraumdesigner) entwickelt. Es ist für die Serienproduktion ausgelegt und stellt auf einer Wohnfläche von 19,5 Quadratmetern sämtliche notwendigen Funktionen bereit. Integriert sind ein Wohnraum mit Küchenzeile und Schlafnische sowie ein Badezimmer mit Dusche und WC. Durch eine großzügige Fensterfront wird der Innenraum außerdem mit einer offenen Holzterrasse verbunden.
Bildnachweis: Florian Schick
Hier bei uns in der Region hat sich unter anderem der Architekt und gelernte Tischler Florian Schick aus Heidkamp auf den Bau von Tiny Houses spezialisiert. Das von ihm entwickelte Musterhaus überzeugt nicht nur optisch, sondern vor allem durch seine hohe Nachhaltigkeit: „Wichtige Bausteine dazu sind eine Komposttoilette sowie ökologische Oberflächenbehandlung und die Verwendung heimischer Hölzer wie Lärche oder Fichte“, erklärt er. „Parallel dazu versuche ich, Aspekte wie Regenwassernutzung, Abwasserrückgewinnung, Photovoltaik oder Beheizung über einen Mini-Pelletvergaserofen zu ergänzen.“ Ausgehend von seinem Prototypen hat Florian Schick mittlerweile eine ganze Reihe von individuell angepassten Tiny Houses für unterschiedlichste Kunden entwickelt. In vielen Fällen nutzt er dabei auch vorhandene Elemente oder Baustoffe und arbeitet sie nach Kundenwunsch um: „Im vergangenen Jahr haben wir zum Beispiel einen Zirkuswagen aus den 1920er-Jahren restauriert und zu einem Gartenarbeitszimmer für einen Filmemacher umgestaltet“, berichtet er. „Aktuell sind wir außerdem dabei, ein Schaustellerfahrgestell aus den 1970er-Jahren als Basis für ein zehn Meter langes Tiny House zum dauerhaften Wohnen zu verwenden.“
Bildnachweis: Florian Schick
Spannende Impulse zum Thema Tiny Housing kommen auch aus den Niederlanden. Im Rahmen der „BuildingExpo Tiny Housing“ in Almere wurden hier schon vor einigen Jahren prototypische Entwürfe unterschiedlichster Mikro-Appartements vorgestellt. Mit auf der Messe vertreten war seinerzeit auch das Minihaus „Slim Fit“ der Architektin Ana Rocha aus Den Haag. Der schlanke Holzbau überzeugt nicht nur durch seine klare Formgebung, sondern vor allem durch seinen minimierten Platzbedarf. Trotz einer Grundfläche von lediglich 16 Quadratmetern stellt das Haus seinen Bewohnern auf drei Ebenen insgesamt 50 Quadratmeter Wohnraum zur Verfügung.
Wohnen auf schlankem Fuß
Zugegeben, das Wohnen auf sechs mobilen Quadratmetern ist sicher nicht jedermanns Sache. Hinzu kommt, dass der Traum vom Wohnen im eigenen Anhänger in der Realität noch allzu häufig an den gesetzlichen Rahmenbedingungen und am Mangel an geeigneten Bauplätzen mit der erforderlichen Infrastruktur scheitert. Doch immerhin: Mittlerweile erkennen immer mehr Kommunen den Trend, so dass inzwischen sogar Grundstücke speziell für Tiny-Häuser ausgewiesen werden. Hier in der Region ist zum Beispiel eine Mini-Siedlung mit neun Häusern auf dem Fliegerhorst in Oldenburg geplant. Ein erster Schritt immerhin. Weitere dürfen gerne folgen.
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©Bildnachweis: „Florian Schick“
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