Download als .pdf Drucken Lesezeit:

Ab in den Urlaub. Mit gutem Gewissen.

Ab in den Urlaub. Mit gutem Gewissen.

Reisen in Zeiten des Klimawandels.
In Zeiten des Klimawandels denken wir immer öfter darüber nach, wie wir umweltfreundlicher und nachhaltiger leben können. Ein ganz wichtiger Faktor dabei ist das Thema Reisen. Denn machen wir uns doch nichts vor: Wenn jeder und jede von uns weiter darauf besteht, mit dem Flieger oder dem Kreuzfahrtschiff die letzten Paradiese dieser Welt zu erobern, dann könnte es demnächst richtig ungemütlich auf unserem Planeten werden. Aber keine Angst, komplett zuhause bleiben müssen wir deswegen noch lange nicht.

Ob Hitzerekorde, Dieselskandal, Elektromobilität oder Fridays-for-Future-Proteste: Kaum ein Thema prägt die gesellschaftliche Debatte aktuell so sehr wie der Klimawandel. Immer mehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Ressourcen der Erde endlich sind und dass wir deutlich mehr CO2 einsparen müssen, um die Lebensgrundlagen auf unserem Planeten zu erhalten. So weit, so gut. Die Latte, über die wir alle springen müssten, liegt allerdings ziemlich hoch. Denn streng genommen dürfte jeder Mensch auf der Erde nur zwei Tonnen CO2 jährlich verursachen, damit wir den Treibhauseffekt nicht weiter verstärken und das Klima auch für zukünftige Generationen erhalten. Tatsächlich liegt unser Verbrauch aber deutlich darüber und betrug nach Angaben des Statistischen Amts der EU bundesweit durchschnittlich mehr als 11 Tonnen CO2 pro Kopf!

Die harten Fakten
Einen goßen Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß steuert der Tourismus bei, der laut einer Studie der University of Sydney für acht Prozent der globalen Emissionen verantwortlich ist. Das Verblüffende dabei: Trotz des steigenden Umweltbewusstseins und trotz der vielen Klimaproteste steigt die Zahl der besonders klimaschädlichen Reisen per Flugzeug oder Kreuzfahrtschiff nach wie vor immer weiter an: Denn gab es vor zwanzig Jahren bundesweit noch rund 300.000 Kreuzfahrtpassagiere, zählten die Veranstalter 2018 schon 2,23 Millionen. Weltweit betrachtet waren es zuletzt sogar 22 Millionen Passagiere, die auf etwa 300 Kreuzfahrtschiffen die Weltmeere durchkreuzten. Tendenz weiter steigend! Und das obwohl ein Kreuzfahrtschiff nach Angaben des Nabu etwa so viel CO2 ausstößt wie 84.000 Autos! Hinzu kommt: Bei Landgängen profitieren die Einheimischen immer weniger. Denn mittlerweile bieten die Anbieter immer häufiger All-inclusive-Reisen an, so dass die Urlauber deutlich seltener bereit sind, zusätzlich auch noch den Restaurantbesuch vor Ort zahlen zu wollen.

Ähnliche „Erfolgszahlen“ vermeldet auch die Flugbranche: Aus den Daten des Statistischen Bundesamtes geht hervor, dass von August 2018 bis Juli 2019 rund 125,1 Millionen Flugpassagiere aus Deutschland gestartet sind. Das entspricht einer Steigerung von knapp fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr. Und das, obwohl zum Beispiel ein Hin- und Rückflug von Deutschland in die Karibik nach Angaben von Germanwatch rund vier Tonnen CO2 verursacht, also das doppelte der eigentlich erlaubten Jahresmenge. Zum Vergleich: In Tansania entsprechen diese vier Tonnen dem CO2-Jahresverbrauch von rund 80 Menschen! Eine messbares Umdenken hat also trotz aller Klimaproteste noch nicht stattgefunden. Ganz im Gegenteil ist es ein Dilemma, dass unter den Fern- und Vielreisenden häufig gerade diejenigen zu finden sind, die sich im „sonstigen“ Leben durchaus darum bemühen, umweltbewusst zu handeln und die sich über die Konsequenzen ihres Verhaltens durchaus bewusst sind. Doch wenn die Serengeti ruft, das Wochenende in Lissabon, die Kreuzfahrt an den Nordkap oder das einwöchige Yoga-Retreat in Südostasien, dann behält das Fernweh regelmäßig die Oberhand über die Einsicht.

Gegen den Trend reisen
Was ich dagegen tun kann? Wenn ich trotz besseren Wissens nicht auf meine Fernreise verzichten möchte, dann kann ich den anfallenden CO2-Verbrauch zum Beispiel über eine Abgabe bei Anbietern wie atmosfair oder myClimate kompensieren. Dazu gebe ich einfach meine Daten auf der jeweiligen Website ein und kaufe für die errechnete Emissionsmenge Ausgleichszertifikate, mit denen dann Klimaschutzprojekte gefördert werden. Das ist doch schon mal ein Anfang. Und ganz ehrlich, die Kosten dafür halten sich in Grenzen. Noch besser ist es natürlich, wenn ich statt der Kreuzfahrtschiffes oder statt des Flugzeuges öfter mal die Bahn oder den Fernbus nehme. Statt der Karibik winken dann natürlich eher das Mittelmeer oder die Ostseeküste. Aber würde das wirklich einen so großen Verzicht bedeuten? Das Klima würde uns den Umstieg jedenfalls danken. Denn vergleicht man den CO2-Verbrauch einer Flugreise von München nach Berlin mit dem einer ICE-Fahrt für dieselbe Strecke, dann lassen sich mit der Bahn fast 90 Prozent an Emissionen einsparen. Und stellt man einfach mal eine Hin- und Rückfahrt mit dem ICE von München nach Rügen (etwa 65 kg) der oben erwähnten Flugreise in die Karibik (vier Tonnen) entgegen, dann liegt die Ersparnis bei etwa 98,5 Prozent. Das bedeutet: Wer einmal in die Karibik fliegt, der könnte mit der gleichen Menge an CO2 fast ein Leben lang jeden Sommer quer durch Deutschland nach Rügen reisen!

Mit dem Drahtesel durch Ostfriesland

Ähnliches gilt natürlich auch für deutlich kleinere Strecken: Sicher ist es oftmals bequem, den Weg zur Arbeit oder zum Urlaubsziel in der Region mit dem Auto zurückzulegen. Erheblich umweltschonender, häufig wesentlich entspannter und überraschenderweise oftmals auch noch günstiger kann aber die Reise mit dem Bus oder mit dem Zug sein. Ich persönlich liebe zum Beispiel den Inselbus, der an Samstagen und Sonntagen vom Oldenburger ZOB direkt zu den Fähranlegern in Bensersiel oder in Neuharlingersiel fährt. In rund drei Stunden kann ich so bequem auf Langeoog oder Spiekeroog sein. Und das zum Preis von nicht mal 50 Euro (Hin- und Rückfahrt), wobei die Fähre bereits enthalten ist. Nicht schlecht, oder?


Topfeben und meistens geradeaus. Das ist Radfahren in Ostfriesland.

Eine tolle Möglichkeit, die Region zu erleben und dabei einfach mal durchzuatmen, die Ruhe zu genießen und den Alltag zu vergessen, ist außerdem ein Ausflug oder Urlaub mit dem Rad. Die ideale Basis dazu bietet zum Beispiel das 3.500 Kilometer lange Radwegenetz in Ostfriesland. Die durchweg steigungsfreien Strecken verlaufen zumeist auf kleinen, gut befestigten Straßen abseits der großen Hauptverkehrsachsen. Sie führen durch unterschiedlichste Landschaften wie Marsch, Moor und Geest und lassen sich je nach Anspruch auf mehrtägigen Touren oder in Teilstrecken abfahren. Und die Anreise? Die lässt sich mit einem kleinen Aufpreis für die Fahrradmitnahme ganz bequem mit der Bahn erledigen. Je nach geplanter Strecke kann ich zum Beispiel in Leer, Emden, Norddeich oder Jever aussteigen und dann von dort aus meine Rad-Tour starten oder meinen Zielort ansteuern. Zugegeben, in Greetsiel oder am Ewigen Meer gibt es eindeutig weniger Sandstrand als auf den Kanaren. Dafür haben die Orte aber echten norddeutschen Charme zu bieten! Und das gute Klimagewissen gibt es gratis dazu.


Bildnachweis:
Titelbild "Paar mit Gepäck": Atstock Productions/shutterstock.com
Bild "Fahrrad am Deich": Marc Venema/shutterstock.com

Robert Uhde

von Düsseldorf nach Oldenburg
Von Düsseldorf nach...: ...Oldenburg
Wie alles begann oder wo sind Ihre beruflichen Wurzeln?: Ich habe Kunst und Germanistik studiert.
Und heute?: ...arbeite ich seit 1997 als freier Journalist. In meiner Freizeit bin ich viel mit dem Fahrrad unterwegs, spiele Gitarre in meiner Band JazzCycle.
Bildnachweis/Portrait: Feindesign, Daniel Penschuck

Robert Uhde

von Düsseldorf nach Oldenburg
Von Düsseldorf nach...: ...Oldenburg
Wie alles begann oder wo sind Ihre beruflichen Wurzeln?: Ich habe Kunst und Germanistik studiert.
Und heute?: ...arbeite ich seit 1997 als freier Journalist. In meiner Freizeit bin ich viel mit dem Fahrrad unterwegs, spiele Gitarre in meiner Band JazzCycle.
Bildnachweis/Portrait: Feindesign, Daniel Penschuck
← zum vorherigen Artikel zum nächsten Artikel →
0 Kommentar(e)
Newsletter