Schnecken biologisch bekämpfen: Aber wie?
Auf einen milden Winter folgte zumindest im Westen Deutschlands ein relativ feuchtes Frühjahr und immer wieder Regen auch in den Sommermonaten. Das tat nicht bloß unserem Grundwasserstand gut, es macht 2024 auch zu einem Jubeljahr für Schnecken. Besonders die robuste und recht große Nacktschneckenart Arion vulgaris tritt in vielen Gärten so zahlreich auf, dass es Blumen- und Gemüsefreunde graust.
Selbst wackere Fressfeinde wie z. B. der Igel wenden sich bei der derzeit wohl häufigsten Schneckenart angewidert ab, so dass auf Hilfe von dieser Seite nicht zu hoffen ist. Was dann?
Schneckenlaichräuber als Biowaffe?
Bei der wenig appetitlichen „Spanischen“ Wegschnecke ist Hilfe durch Fressfeinde am ehesten zu erwarten, so lange die Schleimer noch im Kaviar-Stadium sind. Hier kommen eine ganze Reihe von Laufkäfern als Laichräuber und Vertilger infrage. Besonders Grabkäfer (z. B. Pterostichus melanarius) spüren auch unter der Erdkrume den Laich auf und fressen mit Vorliebe die üppigen Gelege von Arion vulgaris. Leider ist noch kein Verfahren erprobt, wie sich die verdienstvollen Eierdiebe dauerhaft in den Garten locken lassen.
Auch von verschiedenen Gehäuseschnecken steht geschrieben, dass sie die Gelege anderer Schneckenarten verzehren. Bei vielfach nachtaktiven Tieren liegt allerdings auch Vieles im Dunkeln. Nachgewiesen ist, dass die am besten erforschte Schnirkelschneckenart, nämlich die Weinbergschnecke, fremde Gelege verspeist.
Auch den hübschen Bänderschnecken wird nachgerühmt, dass sie bisweilen Nacktschneckenlaich fressen. Diese hier präferiert Brennnesseln. Dabei stören sie die Nesselzellen offenbar nicht. Muster und Farbe der Gehäuse können sowohl bei Hainbänderschnecken wie bei Gartenbänderschnecken stark variieren.
Diese Schnirkelschnecke mag ebenfalls Brennnesseln und wird nur ausnahmsweise das Gelege einer großen Wegschnecke anknabbern. Unsere Landlungenschnecken leben weitgehend in friedlicher Koexistenz.
Schnecken gegen Schnecken?
Schnecken mit hübsch gemusterten Häuschen dürfen weit eher auf unsere Sympathie rechnen als ihre unbehausten Brüder-Schwestern. Dabei gibt es hier wie dort Arten, die bevorzugt frisches Grün vertilgen, wie auch solche, die verrottendes Material verwerten.
Eine nennenswerte Dezimierung der für die weitaus meisten Fraßschäden im Garten verantwortlichen Art Arion vulgaris durch „schönere“ Schnecken, die gelegentlich auch ein wenig Laich fressen, ist höchst unwahrscheinlich. Noch unwahrscheinlicher, ja geradezu unwahrscheinlich unseriös, ist die Behauptung: Eine prächtige „Raubschnecke“ mit dem vielversprechenden Trivialnamen „Tigerschnegel“ könnte einer Wegschneckenpopulation den Garaus machen. Richtig ist vielmehr, dass Limax maximus trotz seiner beachtlichen Größe am liebsten Pilze und welke Vegetabilien verzehrt. Die überaus friedliche Koexistenz von Limax- und Arionarten kann ich regelmäßig im eigenen Garten beobachten. Der „Tiger“ ist kein Schneckenjäger und kann mit der Fertilität von Arion vulgaris bei weitem nicht mithalten.
Der Tigerschnegel (Limax maximus) trägt einen Mantel mit schickem Leopardenmuster, den Hinterleib zieren längs die Tigerstreifen. Im Labor konnte er auch nach strenger Diät nicht dazu gebracht werden, Wegschnecken zu verspeisen – nicht einmal nachdem ihm vorgelesen wurde, er sei eine wilde Raubschnecke.
Schnecken um die Ecke bringen?
Da weder der Tigerschnegel als Arion-Killer taugt, noch andere Fressfeinde Geschmack an feisten Wegschnecken finden, stellt sich die Frage: Muss man selbst zum Mordbuben werden? Nun: „Kein Mensch muss müssen“, sagt schon Nathan der Weise, aber das Entfernen der Wegschnecken ist ein zwar mühsames, dafür aber wirksames Verfahren.
Das Einsammeln der Schnecken ist bei und nach Einbruch der Dunkelheit am erfolgreichsten, ebenso nach Regen. Schnecken mögen’s feucht.
Wie mit den Gefangenen verfahren wird, möge jede/r mit seinem Gewissen abmachen. Eine listige Freundin lässt sie auf dem ausgedehnten Grünstreifen inmitten einer vierspurigen Straße ins Gras beißen.
Fallen: Wo Schnecken sich verstecken
Ergiebiger wird das Einsammeln unserer schleimigen Fressfeinde, sofern Fallen eingesetzt werden. Dazu eignet sich jedes Brett und jede Plane als „Unterschlupffalle“. Die Schnecken suchen darunter dunkle und feuchte Plätze, um vor der nächsten abendlichen Fressrunde zu ruhen.
Auch umgedrehte Blumentöpfe mit einer Gurkenscheibe o. ä. als Lockspeise können den Jagderfolg deutlich erhöhen.
Die Bierfalle: unwiderstehlich und unerbittlich
Hochwirksam und umstritten ist eine Schale (oder mehrere) mit dem unwiderstehlichen Lockmittel: Bier. Da wird jede Schnecke zur Saufziege. Der Exitus der Mollusken wird dabei in Kauf genommen. Es besteht die Gefahr von Kollateralschäden, weil nicht nur häufige Arionarten sich ins vermeintliche Vergnügen stürzen, sondern u. U. auch Seltenheiten wie der Bierschnegel, die Schnecke des Jahres.
Geradezu gewarnt wird vor der rabiaten Bierfalle mit dem gewagten Argument, sie würde Schnecken von weit her anlocken, sodass sich eine weit größere Anzahl Weichtiere einfände als ohne Bier. Das setzt bei den Tierchen enorme Sinnes- oder Kommunikationsleistungen voraus! Hinsichtlich des Geruchsinns finden sich im Web Angaben zwischen 50 cm und 200 m (!) Reichweite. Nachweisen lässt sich, dass Schnecken aus gut zwei Metern Entfernung gezielt auf Essbares zukriechen. Auch der natürliche Aktionsradius (s. o.) der hiesigen Arionarten macht einen „Anmarschweg“ von wenigen Metern plausibler als die lustige, gut gemeinte Theorie vom „Partyalarm in der gesamten Nachbarschaft“.
Bannkreise: Ringe der Macht oder eher machtlos?
Es gibt etliche nützliche Tipps für Barrieren, die Schnecken nicht (oder zumindest ungern) überkriechen: Branntkalk (Achtung, Eingriff in die Bodenchemie, erhöht den PH-Wert), zerbröselte Eierschalen, Chinagrasschnitt, Fichtennadeln, Holzasche, Sand, Sägemehl, Schafwolle und Kaffee(satz). An allen ist etwas Wahres dran, aber leider haben alle einen Schwachpunkt gemeinsam: Sie wirken genau dann am wenigsten, wenn der Schneckendruck am größten wird – wenn’s regnet.
Beispiel Kaffee(satz)
Dass Koffein auf alle hiesigen Schneckenarten als ein (je nach Dosis sogar letales) Nervengift wirkt, ist wissenschaftlich erwiesen. Aber: „Die Dosis macht das Gift!“ Kaffeeprütt ist ein guter organischer Dünger und aus ihm einen Barriere-Ring gegen Schnecken anzulegen einen Versuch wert. Man muss aber schon sehr, sehr starken Kaffee brauen, immer wieder frischen Kaffeesatz nachlegen und bedenken: Der Wirkstoff Koffein ist wasserlöslich.
Versuchsanordnung zum Schutz einer Waldrebe (Clematis), nachdem die Vorgängerpflanze restlos weggeraspelt wurde: Die grüne Schale hat keinen Boden und dient als Pflanzkragen, oben sind Kaffeesatz und Eierschalen aufgebracht. Beim schwarzen Topf wurde der Boden ausgeschnitten, mit selbstklebendem Kupferband entstand daraus ein Antischneckenkragen. Dieser Parcours wurde auch während einer Regennacht von keiner Schnecke überwunden. Der Kaffeesatz allein konnte hingegen Arion vulgaris nicht stoppen.
Schneckenzäune und -kragen
Als ich im Gartenbedarf Schneckenkragen/ringe erstehen wollte, um diese Methode an frisch gesetzten Jungpflanzen zu erproben, hieß es: „Schon lange ausverkauft – und diese Saison gibt’s auch keinen Nachschub mehr.“ Die Kunststoffringe scheinen mir etwas überteuert, sollen aber funktionieren, sofern sie sorgfältig angewendet werden: etwas eingegraben, damit sie nicht unterkrochen werden und ohne anstehende Überkletterhilfen.
Kupfer ist gold gegen Schnecken
Aus Kunststoffblumentöpfen ohne Boden und selbstklebendem Kupferband lassen sich Schneckenkragen einfach selbst herstellen. Auch Schneckenzäune aus Kupfer sollten kaum zu überwinden sein. Mollusken und Fische reagieren auf Kupferionen sehr empfindlich. So lassen sich auch Kübelpflanzen schützen.
Ein Kupferband schützt diese Kübelpflanze. Da es sich um eine Scheinmyrthe handelt, gilt aber ohnehin: Für Bienen hui, für Schnecken pfui!
Hochbeete: für Schnecken zu hoch?
Hochbeete werden mitunter als perfekter Schutz gegen die hungrigen Kriecher gepriesen – oft von denselben „Experten“, die den Schnecken einen sagenhaften Geruchssinn zusprechen, sofern es um die böse Bierfalle geht. Wie schneckensicher ein Hochbeet in der Realität ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Der Standort ist sicher wichtig und die Zugänglichkeit. Mobile Hochbeete auf der Terrasse und solche auf sehr schlanken, sägerauen Beinen werden auch von hungrigen Schnecken nicht geentert, selbst wenn unwiderstehliche Lockspeisen wie Petersilie und duftendes Basilikum locken. Hier einige Anregungen für solche Konstruktionen.
Anders sieht es bei Hochbeeten aus, die mitten im Schneckenrevier stehen und viel Wandfläche zum Emporschleimen bieten. Außerdem gelangt in größere Hochbeete oft schon beim Befüllen mit Erde und Kompost Schneckenlaich mit hinein. Sind die Tiere erst einmal im Beet, empfiehlt sich sorgsames Absuchen – und vielleicht doch das Aufstellen einer Bierfalle im Beet?
Damit die Wandung nicht erklommen und überklettert wird, kann wiederum das selbstklebende Kupferband eingesetzt werden (ggf. mit Reißzwecken oder Dachpappenstiften als Fixierhilfe).
Die Vorstellung, dass Schnecken sich nur in den niederen Gefilden am Boden herumkriechend tummeln und folglich Hochbeete ihnen per se die Salatköpfe entzögen, ist leider reines Wunschdenken. Ich habe Arion vulgaris aus einem Futterspender für Meisenknödel geholt, der drei Metern hoch an einer harzigen Blaufichte baumelte. Mit seiner mit zahllosen Chitinzähnchen besetzten Raspelzunge (Radula) knusperte der Wegschneck behaglich am Knödel!
Hier ein gefährdetes Hochbeet mitten in bestem, dicht bewachsenem Schneckenrevier mit köstlichem Schneckenfutter: Liebstöckel und Blutampfer. Der Blutampfer wurde restlos verspeist, vom Liebstöckel pflückte ich Arion vulgaris noch in zwei Metern Höhe. Kupferband entlang der Wandung hätte Schutz bieten können.
Entfernen oder Fernhalten? Beides!
Fazit: Das Jahr der Schnecke beschert Gärtnerinnen vielerorts eine einzigartig große Population der „Spanischen“ Wegschnecke und stellt die Nerven angesichts nie dagewesener Fraßschäden auf die Probe. Die Kombination von Absammeln – unterstützt durch Unterschlupf- und Lockfallen – mit Barrieren hilft am besten.
Zum guten Schluss
Bei allem verständlichen Hadern mit den verfressenen Mollusken dürfen wir nicht vergessen, dass Schnecken im Ökosystem eine wichtige Rolle spielen. Sie stellen einerseits einen erheblichen Teil der verfügbaren Biomasse da und somit die Nahrungsbasis für andere Tiere. Vor allem aber sind sie mit ihren Raspelzungen hervorragende Zerkleinerer und Umwandler von organischen Substanzen aller Art. Selbst Aas und schwer Verdauliches wird doch verdaut und als exzellenter Kompost- und Humusbildnern ausgeschieden. Also: Schnecken bauen zwar eine Menge Sch…, aber das ist andererseits auch gut so.