Wasser und Energie sparen mit Genuss

Weniger Strom und Wasser verbrauchen – mehr genießen! Klingt richtig gut, oder? Die Vorschläge in diesem Beitrag sollen nicht allein dazu dienen, Energie zu sparen und weniger kostbares Trinkwasser zu verschwenden, sondern diese guten Taten zugleich mit leckeren Kochergebnissen belohnen: Wohl bekomm’s!
Rezeptgläubigkeit: nein, danke!
„Backofen auf 200/220 °C vorheizen …“, „Bringen Sie fünf Liter Wasser zum Kochen …“ , so beginnen viele Rezepte, wenn etwas in der Röhre gegart werden soll oder z. B. 500 Gramm Pasta gekocht werden sollen. Folgen Sie diesen Imperativen nicht blindlinks, Skepsis ist am Platze: Ist das nicht alles etwas viel des Guten? Ziemlich viel Hitze, sehr viel Trinkwasser, was anschließend einfach in den Ausguss abgegossen werden soll und viel Energieaufwand!
„Vorheizer“ sind im Nachteil
Wieso muss der Ofen erst einmal „vorheizen“, statt das Gargut von vornherein mitzuerwärmen? Die „Restwärme“ von E-Herdplatten zu nutzen, haben wir gelernt, als die Kilowattstunde Strom noch Pfennige kostete, aber das mysteriöse „Vorheizen“ hält sich hartnäckig. Dabei dauert es je nach Herd-Typ 10 bis 20 Minuten, ehe die oft geforderten üppigen 200 °C erreicht sind.
Wenn Sie nicht eine besondere Finesse zubereiten möchten, bei der das schockartige Erhitzen einen chemisch/physikalischen Sinn hat (z. B. Soufflé), sparen Sie doch einfach Zeit und Geld und schieben sie Pizza oder Auflauf direkt in die Röhre. Das spart bis zu 20 Prozent Energie. Besonders bei neueren E-Herden mit Umluft können Sie das Gargut getrost sofort miterwärmen. Zudem können Sie die oft geforderte hohe Temperatur locker um 30 Grad niedriger einstellen.
Wozu der „Vorheizhammer“?
Warum steht in so vielen Rezepten dann etwas anderes? Nun, die Autorinnen möchten wahrscheinlich die Garzeitangabe dadurch präzisieren. Außerdem wird gern ungeprüft übernommen, was ja durchaus ebenfalls funktioniert. Was die Garzeit betrifft, gilt aber ohnehin die Maxime: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!“ Denn „jeder Herd ist anders“, das erfährt jede/r, der auch außerhalb der eigenen Küche schon mal den Kochlöffel schwingt. Minutengenaue Garzeiten sind in der Praxis meist nur auszutestende Anhaltspunkte.
Ausnahmen bestätigen die Regel
Also: Lediglich empfindliche Teige (Biskuit/Keks), die zerlaufen können, wenn sie nicht Schockhitze bekommen bzw. das schon erwähnte Soufflé, deren Eiweißschaum zusammensacken würde, brauchen das Vorheizen.
Auch bei Fisch, dessen „Fleisch“ naturgemäß von ganz anderer Konsistenz ist als das von Landtieren und daher sehr viel schneller gart, kann das Vorheizen durchaus Sinn machen.
Rein unterm Energiesparaspekt betrachtet, ist der Backofen gegenüber der Zubereitung auf der Herdplatte übrigens deutlich stromhungriger: Er frisst bis zu vier Mal so viel.
Doch nun erst einmal von der trockenen Theorie zur leckeren Praxis …
Praxisbeispiel: Röstgemüsepfanne bei 160 °C – ohne Vorheizen
Versuch macht klug und probieren geht über studieren, daher hier ein grundlegend einfacher Rezeptvorschlag, mit dem Sie ohne Vorheizen bei 160 °C eine leckere, gesunde Mahlzeit herstellen.


Die Zutaten: Salz, Olivenöl und Gemüse der Saison! Süßkartoffel ebenso wie heimische Knollen, Möhren, Pastinaken, (Rote) Zwiebel, Paprika, Aubergine, Pilze, Zucchini und ein Hokkaidokürbis (nicht schälen nur putzen) grob zerkleinert in die eingefettete Pfanne gegeben, mit Salz bestreut und Olivenöl beträufelt.
Die Gemüsemischung richtet sich nach dem Angebot der Saison und Ihrem persönlichen Geschmack (respektive dem Ihrer Gäste). Ab Mai füge ich z. B. gern ein paar Spargelstangen hinzu. Wer Knoblauch gern mag, füge ganze ungeschälte Zehen hinzu, die sich nach dem Garen ganz leicht aus der Schale drücken lassen. Natürlich kann man das Ganze vorm Servieren noch mit frischen Kräutern bestreuen. Variatio delectat.
Die ofenfertige Pfanne kommt in den unbeheizten Backofen, der eingestellt auf 160 °C Umluft eingeschaltet wird und – je nach Ofen – in 45 bis 60 Minuten den Inhalt gart.
Prüfen Sie einfach per Stichprobe (z. B. mit einer Rouladennadel), ob das Röstgemüse den gewünschten Garungsgrad erreicht hat. Pieken Sie in eine Möhre oder Kartoffel, die haben die längste Garzeit. Das Ratatouille-Gemüse gart etwas flotter.
Genuss ohne Reue
Die vergleichsweise moderate Temperatur von 160 °C dient nicht in erster Linie dem Ziel, durch die Energieeinsparung Ihr Haushaltsbudget samt (Um)welt zu retten, sondern bis auf eben diese Temperatur können Sie auch empfindlichere Öle erhitzen, ohne dass diese Schaden nehmen. Spätestens bei 180 °C werden gesunde ungesättigte Fettsäuren zerstört, es können kanzerogene Stoffe wie Acrolein entstehen, zudem bilden sich vermehrt Rußpartikeln und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK ebenfalls krebserregend). Sie werden sehen, das Röstgemüse nimmt auch bei 160 °C Farbe an, ohne so leicht zu verbrennen, wie das bei den allzu oft geforderten höheren Temperaturen von 180 bis 220 Grad der Fall ist. Energiesparen ist hier gesünder und leckerer. Apropos leckerer: Wischen Sie die in der Pfanne sich bildenden Säfte mit einem Stück saugfreudigem Baguette aus und lassen Sie es sich schmecken!
… und die Fleischeslust?
Ob das auch mit Fleisch funktioniert? Kein Vorheizen und bloß 160 °C? Ja, versprochen.
Legen Sie auf die Röstgemüsepfanne einen Rost mit nach Gusto marinierten/gewürzten Hähnchenkeulen und verfahren Sie ansonsten ganz gleich.
Wem Veggie nicht (immer) reicht, der kann z. B. Hähnchenkeulen mitrösten – ohne Vorheizen bei gleicher Garzeit und moderaten 160 °C Umluft.
Ein Klassiker: Spaghetti kochen!
Um einige Vorschläge zum Umgang mit unserem Lebensmittel Nr. 1 zu veranschaulichen, wenden wir uns der eingangs erwähnten Pasta zu und den oft empfohlenen fünf Litern Trinkwasser pro Pfund. Diese üppige Wassermenge soll verhindern, dass die Nudeln nicht zu einem Brei verkleben. Das lässt sich aber auch mit viel weniger vom kostbarem Nass zuverlässig vermeiden. Nehmen Sie einen Kochtopf oder eine Topfpfanne mit großem Durchmesser. Die Pasta drückt weniger aufeinander und kommt mit sehr viel weniger Kochwasser aus, es genügt, wenn sie gut mit Wasser bedeckt ist und vor allem zu Beginn, wenn sie sogleich verkleben möchte, durchgerührt wird.


Dieser flache 26er-Topf nimmt wunderbar 500 Gramm Spaghetti für vier Personen auf. Es genügen etwa zwei Liter kochendes Wasser, damit das Gargut vollständig bedeckt ist. Wählen sie bitte ein zum Durchmesser passendes Kochfeld.
Deckel drauf!
Gelegentlich findet sich die Empfehlung, mit offenem Deckel zu kochen, weil der Dampfdruck das Verkleben bewirkt oder begünstigt. Ja, es entsteht etwas Dampfdruck unterm Deckel. Er ist praktisch aber wirkungslos, offenes Kochen vergeudet daher Energie und verdampft das Kochwasser.
Wann kommt das Salz ins Wasser?
Faszinierend finde ich Rezepte und Kochanleitungen, die eindringlich darauf hinweisen, dem Wasser erst Salz hinzuzufügen, wenn es bereits kocht und danach das Gargut hineinzugeben! Eine Begründung findet sich meist nicht. Dabei haben wir es hier mit purer Naturwissenschaft zu tun: Salz lässt nicht bloß Eis schmelzen, es erhöht auch den Siedepunkt von Wasser (normal = 100 °C auf Meereshöhe). Spart also der „Spätsalzer“ Energie, weil das heißere Wasser die Garzeit verkürzt? Vergeudet der „Frühsalzer“ Energie, weil das Wasser später kocht ? Nun: Ein Esslöffel Salz à 20 g auf 5 Liter (die nur für wirklich viel Kochgut erforderlich sind) erhöht den Siedepunkt um zwölf Hundertstel – von 1 °C! Das könnte die Kochzeit vielleicht um eine halbe Sekunde verkürzen. (vgl. Robert L. Wolke, Was Einstein seinem Koch erzählte. Naturwissenschaft in der Küche, München Zürich 32003, S. 65)
Also: Der Zeitpunkt, zu dem das Salz ins Wasser kommt, ist praktisch wurscht! Salz löst sich gut in Wasser und salzt somit das Gargut.
Öl ins Wasser gießen?
Öl ins Feuer zu gießen, ergibt in aller Regel einen spektakulären Effekt, hingegen ist der oft gehörte/gelesene „Tipp“, einen „Schuss Öl“ ins Nudelwasser zu gießen, um das Zusammenkleben der Pasta zu verhindern, eher ein Schuss in den Ofen, respektive reine Verschwendung – zumal wenn womöglich feines Olivenöl für diesen Unfug herhalten soll! Denn dass Fett oben schwimmt, ist nicht bloß eine Redensart, sondern eine physikalische Tatsache (s. Dichte). Öl und Wasser lassen sich (ohne Emulgator) nicht vermischen, sodass kaum Nudeln mit dem auf der Wasseroberfläche schwimmenden Öl eingefettet werden. Wo dies dennoch gelingt, hat es den Nachteil, dass diese Nudeln gegen etwaige Soßen, mit denen sie anschließend serviert werden sollen, quasi imprägniert sind. Also: einfach die Nudeln 2–3 Mal durchrühren – und das gute Öl lieber für z. B. ein leckeres Pesto verwenden.
Nudelwasser ist die halbe Suppe
Was geschieht eigentlich, wenn Pasta, Kartoffeln, Klöße und Co. in Salzwasser kochen? Es dringt Salzwasser ins Gargut ein und dieses gibt Inhaltsstoffe – vor allem Stärke ans Kochwasser ab. Das gute Trinkwasser ist nun also mit Mineralien und Kohlenhydraten angereichert. Es ist eigentlich viel zu schade, um es durch den Ausguss zum Schmutzwasser zu kippen. Wenn Sie Nudelwasser (oder Gnocchisud) erneut verwenden, reichert es sich weiter mit Stärke an und wird eine schöne sämige Brühe, aus der Sie wunderbare Soßen und Suppen machen können. Schon nach dem ersten Garen von Pasta oder Kartoffeln bietet sich das Kochwasser für eine leckere Suppe an.
Wir kochen doch alle bloß mit Wasser?
Planen Sie doch nach einem Pastaschmaus oder einem deutschen Salzkartoffelklassiker für den nächsten Tag einmal ein, das gute Kochwasser zu einer Suppe weiterzuverarbeiten. Probieren Sie auch Folgendes: Kochen Sie nicht bloß mit Wasser, garen Sie Ihre Salzkartoffeln doch gleich in Gemüsebrühe! Und weil das Auge bekanntlich mitisst, fügen Sie der Brühe eine Prise (oder fein zerkleinerte) Kurkuma hinzu. So goldgelbe Kartöffelchen hatten Sie noch nie.
Hervorragend eignen sich als „Nudel/Kartoffelwasser-Nachfolgespeise“ beispielsweise eine Möhren-Ingwer-Suppe oder eine leckere Linsensuppe.
Seien Sie kreativ und experimentierfreudig statt besinnungslos rezeptgläubig oder frei nach E. Kant: Habe den Mut, dich deines eigenen Kochlöffels zu bedienen! Guten Appetit!