Sauberhafte Küsten: Was steckt hinter dem Projekt?

Am 22. März ist Weltwassertag. Da passt es, dass just an diesem Tag in der nördlichen Wesermarsch die Aktion „Sauberhafte Küste“ Hunderte von Menschen zum Müllsammeln zusammenbringt. Wir haben mit Detlef Glückselig, Mitinitiator und Sprecher des NABU Butjadingen, über das Projekt gesprochen.
Aber erstmal ein paar Hintergrundinfos:
Die Aktion „Sauberhafte Küste“ findet seit 2019 jährlich im März statt. Freiwillige Helferinnen und Helfer befreien bei der Aktion an der Unterweser das Weserufer von Kleinensiel Richtung Norden, die gesamte Butjadinger Küste bis Eckwarderhörne sowie Sehestedt vom Müll – insgesamt rund 65 Küstenkilometer.
Dabei kommt allerhand Unrat zusammen. 2024 waren es nach Auskunft von Mitorganisator Detlef Glückselig (NABU Butjadingen) 890 Kubikmeter. Über die Jahre, so hat er beobachtet, ist die Menge geringer geworden. Damit erfüllt sich ein Ziel der Aktion: Ein Bewusstsein dafür zu schaffen, Küste und Meer sauber zu halten.
Bei der Aktion sind stets mehr als 400 Menschen unterwegs. Bürgervereine, Dorfgemeinschaften, Schulen, Jugend- und Kinderfeuerwehren, NABU und Hegering machen mit, aber auch Kitesurfer und die Belegschaften ganzer Betriebe sowie die Tourismusgesellschaft Butjadingen. Die Nordenhamer Sportboothafen-Gemeinschaft schickt Sammeltrupps bis Kleinensiel, das Team der Seefelder Mühle kümmert sich um den Strand in Sehestedt.
Wer mithelfen möchte, braucht sich nicht anzumelden. Es reicht, sich am 22. März einer Gruppe anzuschließen oder sich einfach allein mit einem Müllsack auf den Weg zu machen. Die Abfallwirtschaft GIB der Wesermarsch stellt zwei große Container zur Verfügung, in die die gefüllten Säcke geladen werden, einen in Stollhamm und einen im Nordenhamer Stadtsüden.
Einen großen Organisationsapparat braucht „Sauberhafte Küste“ nicht. Die beteiligten Gruppen organisieren sich selbst, sobald der Termin feststeht. Den Anstoß geben Detlef Glückselig vom NABU und Jörg Kuck vom Hegering Butenland.


Die Ausbeute eines Tages: Mitglieder des NABU Butjadingen transportieren zahlreiche gefüllte Abfallsäcke zur Sammelstelle - natürlich auch mit dabei: Detlef Glückselig (rechts auf dem Bild).
Auf ein Wasser mit... Detlef Glückselig
Herr Glückselig, die Butjadinger Küste ist ganz sicher zauberhaft. Aber an einem Tag im Jahr ist sie sogar "sauberhaft". Was geschieht dann?
An dem Tag findet in der nördlichen Wesermarsch eine große Müllsammelaktion statt. Sie umfasst das gesamte Weserufer von Kleinensiel bis zur Außenweser und die gesamte Außenweser- und Nordseeküste bis hoch nach Sehestedt. Das Ganze nennt sich „Sauberhafte Küste“.
Warum gibt es die Aktion "Sauberhafte Küste"? Was ist das Ziel?
Ganz klar: Zum einen wollen wir Müll sammeln. Der Termin ist bewusst gewählt: immer im März, kurz bevor die Brut- und Setzzeit beginnt. Durch die Winterstürme wird immer viel Müll angeschwemmt an der Küste, der dann noch entfernt werden kann. Den Müll einzusammeln ist das eine, aber das zweite und wahrscheinlich wichtigere Ziel ist es, Menschen zu sensibilisieren und auf das riesengroße Problem des Mülls im Meer aufmerksam zu machen. Wir wollen zeigen, was sich alles findet und was das anrichtet. Wir wollen ein Bewusstsein für das Problem schaffen und die Menschen anstupsen, ihr Verhalten zu ändern. Inzwischen haben wir das Gefühl, dass das passiert. In den letzten Jahren sind die Müllmengen nämlich kleiner geworden.
Was finden die Müllsammlerinnen und Müllsammler bei der Sammelaktion vor allem?
Wir finden alles Mögliche, vom Autoreifen bis zu Plastikverpackungen mit chinesischen Aufdrucken. Das zeigt, dass das Ganze ein weltweiter Kreislauf ist. Wahrscheinlich finden sie in China genauso Plastikverpackungen mit deutschem Aufdruck. Das wird durchs Meer getrieben, einmal die ganze Welt. Wir sammeln Kanister ein, wir finden viel Kunststoff. Und was wirklich ein Elend ist: Wir entdecken unheimlich viele kleine Plastikschnüre, aus denen Fischernetze zusammengeknotet sind. Sie verfangen sich im Tang und anderen Pflanzen. Das aufzusammeln ist äußerst mühsam. Du hast dich schon 100-mal gebückt und dein Müllsack ist immer noch nur zu einem Drittel voll, weil da nur diese kleinen Plastikschnüre reinwandern. Aber es gibt da eine gute Nachricht: Viele Fischer verzichten inzwischen schon auf diese Plastikschnüre. Das heißt, auch da findet ein Umdenken statt.


Vom Kaffeebecker bis zum Netz bleibt viel unverrottbares Plastik im Uferbewuchs hängen.
Kann eine lokale Aktion helfen, die Meeresverschmutzung zu verringern?
Wir können nicht die Welt retten, das ist uns klar. Aber wir können auf jeden Fall Menschen in unserem Umfeld dafür sensibilisieren, ein bisschen achtsamer mit Müll umzugehen, achtsamer als Konsumenten aufzutreten und nicht alles in Plastikverpackungen zu kaufen. Man kann zum Wochenmarkt auch mit einer eigenen Dose gehen und einkaufen, beispielsweise. Man muss nicht alles immer in Plastik kaufen, das weggeworfen wird hinterher. Ein bisschen was bewirken können wir so als lokale Aktion sicherlich.
Warum ist das so wichtig?
Das eigene Handeln vor Ort ist der Anfang der Veränderung. Wir helfen der Tier- und Pflanzenwelt an der Küste. Zum Beispiel diese Schnüre, von denen ich eben sprach: Es verfangen sich Vögel darin oder sie wickeln sich das Zeug bei der Futtersuche um den Schnabel und verhungern dann, weil sie den Schnabel nicht mehr aufmachen können. Oder sie nutzen es zum Nestbau, was auch nicht gut ist. Das sind konkrete Gefahren für Flora und Flora.
Wir wissen auch: Großer Müll wird kleiner Müll und kleiner Müll wird zu Mikroplastik. Die landet irgendwann auf unserem Tisch im Essen. Eine australische Studie hat festgestellt, dass eine durchschnittliche Person geschätzt 5 Gramm Mikroplastik pro Woche aufnimmt. Das entspricht dem Gewicht einer Scheckkarte. Das ist ziemlich beunruhigend und kann nicht gesund sein. Es geht also nicht nur um Pflanzen und Tiere, es geht auch um den Menschen. Im Meer gibt es Müllteppiche, die sind so groß wie das Saarland. Da muss man anfangen, sich Gedanken zu machen und zu handeln.
Am Aktionstag sind vor allem Menschen aus der Region unterwegs. Was können die Einheimischen ebenso wie die Gäste auch an allen anderen Tagen des Jahres bei Besuchen an der Küste tun, um die Verschmutzung des Ufers und des Wassers zu verhindern?
Müll, der nicht entsteht, muss nicht gesammelt werden. Das gilt immer und überall. Es versteht sich eigentlich von selbst, dass ich nicht ein Eis esse und das Papier in die Landschaft werfe oder eine Capri-Sonne trinke und die Verpackung irgendwo herumliegen lasse. Das ist in meinen Augen mittlerweile auch nicht mehr das zentrale Problem, obwohl es immer noch genügend Leute gibt, die so etwas tun. Von Zigarettenkippen wollen wir gar nicht reden. Die finden wir überall auch bei der Müllsammelaktion zu Hunderten. Ich glaube, man kann ganz viel durch das eigene Konsumverhalten ändern, indem man sich bemüht, plastikfrei einzukaufen. Das ist mitunter nicht so leicht, denn manches gibt es nur in Plastikfolie eingepackt. Aber es gibt auch genügend Produkte, bei denen man darauf verzichten kann. Wenn darauf jeder achtet, dann ist das schon ein riesengroßer Beitrag gegen Wasser- und Küstenverschmutzung.
Bildnachweise:
dpa/Andrea Suhr